Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 29.09.1998; Aktenzeichen 6 O 240/98) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 29. September 1998 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Nachdem die Klägerin im ersten Verhandlungstermin gegen die – damals anwaltlich nicht vertretene – Beklagte ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erwirkt hatte, ließ die Beklagte rechtzeitig Einspruch einlegen. Im zweiten Verhandlungstermin wurde streitig verhandelt. Später nahm die Klägerin ihre Klage zurück; die Beklagte stimmte dem zu.
Antragsgemäß hat die Einzelrichterin des Landgerichts beschlossen, daß die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie erstrebt, daß der Beklagten die Kosten ihrer Säumnis auferlegt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 269 Abs. 3 Satz 5, 567 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat aufgrund ihrer Klagrücknahme gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; hierzu zählen auch die durch die Säumnis der Beklagten veranlaßten Kosten.
1. Die Rechtsfrage ob der Kläger nach Klagrücknahme die gesamten Kosten des Rechtsstreits (gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO) zu tragen hat oder ob die durch die Säumnis des Beklagten veranlaßten Kosten letzterem aufzuerlegen sind (§ 344 ZPO), ist schon seit längerem in Rechtsprechung und Literatur strittig. Im erstgenannten Sinne haben sich etwa ausgesprochen: Schumann in: Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 269 Rn. 63; Thomas/Putze, ZPO 21. Aufl., § 269 Rn. 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 15. Auflage, S. 760; KG NJW 1970, 1799; OLG Stuttgart MDR 1976, 51; Hans. OLG Bremen MDR 1976, 319; OLG Hamm MDR 1977, 233; OLG Düsseldorf OLGZ 1989, 250; OLG Rostock NJW-RR 1996, 832; OLG Schleswig MDR 1998, 562. Eine Ausgliederung der Säumniskosten zu Lasten des Beklagten befürworten dagegen: Herget und Greger in: Zöller, ZPO 21. Aufl., § 91 Rn. 13 „Klagerücknahme” und § 269 Rn. 18 a; Luke in: MünchKomm. ZPO, § 269 Rn. 42; Habel NJW 1997, 2357; OLG Düsseldorf MDR 1972, 1043 und NJW 1975, 1569; OLG Hamm OLGZ 1989, 464; OLG Köln MDR 1993, 1023; OLG Karlsruhe MDR 1996, 319.
2. Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an und läßt sich von folgenden Überlegungen leiten:
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Kläger nach Zurücknahme der Klage verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Der § 344 ZPO setzt dagegen keine Klagrücknahme voraus, sondern im Gegenteil, daß „infolge des Einspruchs eine abändernde Entscheidung erlassen wird”, und ordnet (nur) für diesen Fall an, daß die durch die Versäumnis veranlaßten Kosten der säumigen Partei aufzuerlegen sind. Die Voraussetzungen beider Vorschriften sind also grundverschieden. Der Wortlaut spricht somit dagegen, den § 344 ZPO auch im Falle der Klagrücknahme Platz greifen zu lassen (so richtig: OLG Schleswig MDR 1998, 562; OLG Düsseldorf OLGZ 1989, 250/251).
Aus der Systematik des Gesetzes läßt sich auch kein anderes Ergebnis herleiten. Zunächst einmal schreibt § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO vor, daß der Rechtsstreit bei Klagrücknahme „als nicht anhängig geworden anzusehen” ist und daß (demzufolge) noch nicht rechtskräftig gewordene Urteile „wirkungslos” werden. Das Gesetz steht also auf dem Standpunkt, daß die Klagrücknahme dem Prozeß – mit Ausnahme rechtskräftiger Urteile – sozusagen den Boden entzieht, indem namentlich die prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit (vgl. §§ 261 f. ZPO) rückwirkend entfallen und für die materiell-rechtlichen Wirkungen grundsätzlich nichts anderes gilt – ausgenommen den Fall der erneuten Klageerhebung binnen sechs Monaten (§§ 212, 941 BGB). Ist der Rechtsstreit aber als nicht anhängig geworden anzusehen, dann würde es damit in Widerspruch stehen, für die Verteilung der Kosten gleichwohl auf den Verlauf des Rechtsstreits – nämlich die Säumnis des Beklagten – abzustellen (ebenso: OLG Hamm MDR 1977, 233; OLG Stuttgart MDR 1976, 51). Ferner hat das OLG Hamm (a.a.O.) richtig darauf hingewiesen, daß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (damals noch § 271 ZPO) nicht im Zusammenhang mit jenen Vorschriften steht, die den Abschluß des Prozesses durch gerichtliche Entscheidung, sondern mit denjenigen, die eine Beendigung des Rechtsstreits allein durch Parteierklärungen voraussetzen. In letzterem Falle wird nicht auf die allgemeinen Kostenvorschriften (§§ 91 f. ZPO) zurückgegriffen: wird der Rechtsstreit etwa durch Vergleich beendet, so sind die Kosten – wenn nichts anderes vereinbart wurde – als gegeneinander aufgehoben anzusehen (§ 98 ZPO) Nimmt weiter ein Rechtsmittelführer das von ihm eingelegte Rechtsmittel zurück, so hat er die Kosten jenes Rechtsmittels zu tragen (§ 515 Abs. 3 ZPO).
Nach alledem ist der im Kommentar von Stein/Jonas schon seit langem vertretenen We...