Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheidungsverfahren: Rechtsmittel gegen Scheinbeschluss; Instanzbeendigung; Existenz und Wirksamkeit eines Scheidungsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Scheinbeschluss liegt vor bei fehlender rechtlicher Existenz des zugestellten Beschlusses und kann mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine rechtlich existente Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wären, wobei allerdings, ohne Vorliegen der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines "echten" Rechtsmittelverfahren, nur der Rechtsschein einer Entscheidung durch eine dahingehend klarstellende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu beseitigen ist. Das Beschwerdegericht hat in diesen Fällen mangels einer abschließenden erstinstanzlichen Entscheidung die rechtliche Nichtexistenz eines erstinstanzlichen Beschlusses durch die Aufhebung der den Beteiligten zugegangenen Entscheidung klarzustellen und die Sache an das Amtsgericht zwecks Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 -, Rn. 18 m.w.N., juris).
2. Ein unterschriebener Scheidungsbeschluss verlässt erst durch Verkündung oder durch richterliche Veranlassung einer schriftlichen Bekanntgabe durch Zustellung an Verkündung Statt das Entwurfsstadium und wird erst dann existent.
3. Eine Verkündung lässt sich nur durch ein Verkündungsprotokoll feststellen; dieses kann weder durch die Ankündigung einer Entscheidung im Sitzungsprotokoll ersetzt werden, noch durch einen Verkündungsvermerk der Geschäftsstelle (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 -, Rn. 16 m.w.N., juris; Senat, Beschluss vom 08. Oktober 2018 - 13 UF 155/17 -, juris; Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2019 - 13 UF 136/19 -, juris).
4. Die richterliche Veranlassung einer schriftlichen Bekanntgabe eines Beschlusses durch Zustellung an Verkündung Statt setzt einen dahingehenden richterlichen Verlautbarungswillen voraus. Die Wirksamkeit eines so existent gewordenen Beschlusses erfordert darüber hinaus eine dementsprechende Zustellung durch die Geschäftsstelle und regelmäßig einen Zugang der Entscheidung bei den Beteiligten.
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 35/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird unter klarstellender Aufhebung des den Beteiligten zugestellten Scheinbeschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 10.09.2019 festgestellt, dass ein Beschluss des Amtsgerichts Nauen, der das Verfahren erster Instanz beendet hätte, nicht ergangen ist. Die Sache wird an das Amtsgericht zwecks Beendigung des dort noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
1. Die Beschwerdeführer beanstanden die Durchführung eines Versorgungsausgleichs.
Am 10.09.2019 hat vor dem Amtsgericht die letzte mündliche Verhandlung in einer Ehesache mit Folgesachen stattgefunden. Das hierüber aufgenommene Sitzungsprotokoll enthält Erklärungen der Verfahrensbevollmächtigen, den Versorgungsausgleich auszuschließen und endet mit der Ankündigung, eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen zu lassen (21 ff). In der Gerichtsakte nachgeheftet befindet sich ein richterlich unterschriebener Beschlusstext, der die Ehe scheidet, den Versorgungsausgleich ausschließt, und mit einem Verkündungsvermerk der Geschäftsstelle auf den 10.09.2019 versehen ist (25 ff). Weiter nachgeheftet befindet sich die nicht unterschriebene Leseabschrift eines Beschlusstextes (29 ff), der die Ehe scheidet und den Versorgungsausgleich durchführt, indem er sechs Anrechte ausgleicht, davon die letzten beiden ohne Bezeichnung des ausgleichspflichtigen Ehegatten, und der einen Verkündungsvermerk auf den 10.09.2019 wiedergibt. Beglaubigte Abschriften dieses Textes sind den Beteiligten zugestellt worden, von denen die DRV-Bund insoweit Berichtigung mit dem Ziel der Benennung des Ausgleichsschuldners erbeten (47) und gegen den die Antragstellerin sowie die VBL Beschwerden erhoben haben, die Antragstellerin mit dem Ziel, den Versorgungsausgleich auszuschließen (vgl. 62, 63), und die VBL mit dem Ziel, ein von ihr verwaltetes Anrecht wegen Geringfügigkeit nicht auszugleichen (vgl. 71, 72). Das Amtsgericht hat unter dem 18.10.2019 dem Berichtigungsbegehren der DRV-Bund folgend eine Berichtigungsbeschluss erlassen, in dem es den Ausspruch zu den nach dem Text der Leseabschrift zuletzt geteilten beiden Anrechten um den jeweiligen Ausgleichsschuldner ergänzt hat. Dieser Berichtigungsbeschluss ist mit dem Beschlusstext vom 10.09.2019, wonach ein Versorgungsausgleich ausgeschlossen ist, fest verbunden (vgl. 27a, 27b). Gegen den Berichtigungsbeschluss richten sich weitere Korrekturbegehren der Antragsbeteiligten.
Der Senat entscheidet, wie angekündigt (163), gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Erkenntnisfortschritt eine mündliche Verhandlung führen könnte, zumal der angefochtene Scheinbeschluss aufzuheben und die Sache zurückzuverw...