Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 23.12.2003) |
AG Königs Wusterhausen (Entscheidung vom 22.08.2003) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Verzicht des Angeklagten auf Einlegung von Rechtsmitteln gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 22. August 2003 wirksam ist.
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. Dezember 2003 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung lautet:
Das Rechtsmittel des Verteidigers vom 29. August 2003 gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 22. August 2003 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sowie der sofortigen Beschwerde und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 22. August 2003 hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen - Jugendrichter - den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus hat es sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und hinsichtlich eines sichergestellten Geldbetrages den Verfall angeordnet. Ausweislich des Wortlautes des Sitzungsprotokolls hat der Angeklagte nach Verkündung des Urteils und erfolgter Rechtsmittelbelehrung erklärt: "Ich verzichte auf Rechtsmittel gegen das heute gefällte Urteil". Diese Erklärung wurde durch den Jugendrichter laut diktiert und vom Angeklagten sodann genehmigt.
Mit Schriftsatz vom 29. August 2003, eingegangen beim Amtsgericht Königs Wusterhausen am 30. August 2003 hat der Verteidiger des Angeklagten "Rechtsmittel" gegen das Urteil vom 22. August 2003 eingelegt. Er hat vorgetragen, der Angeklagte sei Heranwachsender und der deutschen Sprache vollständig unkundig. Er sei in der Hauptverhandlung vom 22. August 2003 unverteidigt gewesen. Nach erfolgter Verurteilung und erklärtem Rechtsmittelverzicht habe er wegen des hohen Strafmaßes in Tränen aufgelöst bei ihm angerufen und um Rechtsmitteleinlegung gebeten. Daran sei zu erkennen, dass der Angeklagte nicht über die Tragweite eines Rechtsmittelverzichts aufgeklärt worden sei und er diese Tragweite nicht bei seiner Erklärung habe berücksichtigen können. Der erklärte Verzicht auf Rechtsmittel sei demnach unwirksam.
Das Landgericht Potsdam hat das eingelegte Rechtsmittel der Verteidigung als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewertet und diesen kostenpflichtig zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitige sofortige Beschwerde vom 13. Januar 2004.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat letztlich in der Sache keinen Erfolg.
Zwar ist der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. Dezember 2003, mit dem ein "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" kostenpflichtig zurückgewiesen wurde, inhaltlich unzutreffend, da das von dem Verteidiger eingelegte "Rechtsmittel" nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung sondern als Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil aufzufassen war. Allerdings ist der Beschluss des Landgerichts richtigerweise als Zurückweisung des Rechtsmittels auszulegen.
Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung, der in Fällen inkorrekter Entscheidungen greift, ist davon auszugehen, dass das Landgericht bei richtiger Sachbehandlung das "Rechtsmittel" des Verteidigers als Berufung gegen das Urteil des Jugendrichters behandelt hätte, denn für einen Antrag auf Wiedereinsetzung war wegen des innerhalb der Wochenfrist eingelegten "Rechtsmittels" kein Raum. Auch wurde in den Gründen der Entscheidung des Landgerichts Potsdam ausschließlich auf den erklärten Rechtsmittelverzicht und nicht etwa auf eine Fristversäumnis abgestellt.
Das Berufungsgericht hat gem. § 322 Abs. 1 StPO die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn die Vorschriften über deren Einlegung nicht beachtet wurden.
Dies ist u.a. dann der Fall, wenn durch den Rechtsmittelführer wirksam auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung verzichtet wurde.
Die vom Verteidiger eingelegte Berufung war demgemäß zu verwerfen, denn der vom Angeklagten am Ende der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht gegen das verkündete Urteil ist wirksam.
Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtsmittelverzicht unwirksam sein könnte, liegen nicht vor. Wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, ist die vom Verurteilten abgegebene Erklärung: "Ich verzichte auf Rechtsmittel gegen das heute gefällte Urteil.", laut in das Protokoll diktiert und anschließend von ihm genehmigt worden. Dieser Vermerk nimmt somit an der Beweiskraft des Protokolls gem. § 274 StPO teil, denn der Jugendrichter hat die Beurkundungsform des § 273 Abs. 3 StPO gewählt.
Zwar ist es mit der prozessualen Fürsorgepflicht unvereinbar, auf die Abgabe von Erklärungen hinzuwirken, deren Tragweite und Verbindlichkeit der Erklärende nicht überschaut. Diese Gefahr der übereilten Erklärung besteht regelmäßig, wenn dem nicht durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten ...