Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensverwertung und Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Ein Pkw der Ober- oder Mittelklasse (hier: Pkw mit einem Verkehrswert von 9.000 EUR) zählt in aller Regel zum verwertbaren Vermögen gem. § 115 Abs. 3 ZPO.
Lebensversicherungen zählen grundsätzlich auch dann zum verwertbaren Vermögen gem. § 115 Abs. 3 ZPO, wenn sie der Alterssicherung dienen sollen.
Das Problem:
Der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrende Antragsteller fährt einen Mittelklasse-Pkw mit einem Verkehrswert von etwa 9.000 EUR. Zudem hat er zumindest in der Vergangenheit einen Lebensversicherungsvertrag mit monatlichen Beiträgen von annähernd 80 EUR bedient. Sind diese Vermögenswerte zumutbar einsetzbares Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO?
Die Entscheidung des Gerichts:
Der 1. Familiensenat des OLG Brandenburg bejaht in ständiger Rechtsprechung die Zumutbarkeit des Einsatzes. Der bei Gewährung von Prozesskostenhilfe solidarisch verbundenen Allgemeinheit sei es nicht zumutbar, dass die Partei einen unnötig wertvollen Pkw fahre bzw. über Gebühr Vermögensbildung betreibe. Ein Pkw zähle ab der Mittelklasse, die für einen Verkehrswert von 9.000 EUR jedenfalls zu bejahen sei, in aller Regel zum verwertbaren Vermögen. Soll die Lebensversicherung als Alterssicherung dienen, so begründe dies jedenfalls nicht von vornherein die Unzumutbarkeit der Verwertung. Selbst mit der Verwertung verbundene wirtschaftliche Nachteile seien grundsätzlich hinnehmbar.
Konsequenzen für die Praxis:
Eine Vermögensbildung zu Lasten der Allgemeinheit ist gerade in Zeiten sich zunehmend leerender Staatskassen abzulehnen. Einen übermäßig teuren Pkw muss die Partei verwerten, um sich aus dem Erlös einen angemessenen Pkw anzuschaffen; der Differenzbetrag ist einsetzbares Vermögen gem. § 115 Abs. 3 ZPO. Die Rückkaufswerte von Lebensversicherungen müssen ebenfalls verwertet werden, z.B. durch Beleihung, ggf. auch durch Auflösung der Versicherung. Unzumutbar wäre allein eine unwirtschaftliche Verwertung des Pkw bzw. der Versicherung.
Die Zweckbestimmung eines Vermögenswertes als Maßnahme der Alterssicherung ist jedenfalls solange unbeachtlich, als es sich um eine bloße Absicht oder unverbindliche Maßnahme handelt (BVerwG NJW 2004, 3647, 3648). Gerade auf kapitalbildende Lebensversicherungen trifft diese Überlegung zu, da bei Auszahlung der Versicherung über das Kapital frei verfügt werden kann. Nur wenn eine rechtliche Bindung an die Alterssicherung erfolgt, kommt Unzumutbarkeit in Betracht, wobei aber die sonstigen vermögensrechtlichen Verhältnisse der Partei eine solche Altersabsicherung als berechtigt erscheinen lassen müssen.
Beraterhinweis:
Die Unzumutbarkeit der Verwertung, z.B. den zwingend notwendige Einsatz zur Alterssicherung, muss der Bedürftige glaubhaft machen. Dies gilt grundsätzlich auch ohne gerichtlicherseits erteilte Aufforderung (OLG Brandenburg NJW-RR 2005, 871, 872; FamRZ 2004, 120). Dies geschieht am besten durch Darstellung der bisher erreichten Altersversorgung. Bei jungen Leuten wird wegen der Möglichkeit des Erwerbs weiterer Altersanrechte regelmäßig von der Zumutbarkeit der Verwertung auszugehen sein (vgl. auch Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 327).
Altersvorsorgeverträge, deren Ansammlung staatlich gefördert wird (sog. Riester- oder Rürup-Renten), sind gem. §§ 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII automatisch geschützt. I. Ü. ist auch der sog. Schonvermögensbetrag (§§ 115 Abs. 3 S. 2 ZPO, 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der VO zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) von derzeit 2.600 EUR geschützt.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 13.10.2005; Aktenzeichen 31 F 44/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die gänzliche Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO beruht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin haben sich einerseits, soweit sie bekannt sind, geändert. Im Übrigen ist bislang nach wie vor keine vollständige Aufklärung seitens der Antragsgegnerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt.
2. Mit dieser Maßgabe wird auf die zutreffenden Ausführungen des AG in der angefochtenen Entscheidung sowie der Abhilfeentscheidung vom 13.12.2005 Bezug genommen werden. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat die Antragsgegnerin lediglich für April 2005 eine aktualisierte Erklärung eingereicht. Soweit sie sodann erneut eine Erklärung eingereicht hat, sind die entsprechenden Kopien Bl. 70 ff. sehr schwer lesbar bis hin unleserlich und können daher nicht zur Beurteilung der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden.
3. Dies kann aber letztendlich dahinstehen, da aus weiteren Gründen von keiner Bedürftigkeit der Antragsgegnerin auszugehen is...