Leitsatz (amtlich)
1. Die unterlassene Mitteilung eines Zeugen, dass er nicht vom Ort anreist, unter dem ihm die Ladung zugestellt worden ist, kann dazu führen, dass ihm nur die Kosten erstattet werden, die entstanden wären, wenn er vom Ladungsort angereist wäre. Die unterlassene Mitteilung hat Konsequenzen nicht nur für die zu entschädigenden Fahrtkosten, sondern auch für die Entschädigung des Verdienstausfalls.
2. Die Mehrkosten werden nach billigem Ermessen ersetzt, wenn die Anweisungsstelle und das entscheidende Gericht ihr Ermessen zugunsten des Zeugen ausgeübt haben. Sieht das Gericht einen an seinem Wohnort geladenen Zeugen als unverzichtbar an, hat er auch Anspruch auf den Verdienstausfall, der ihm infolge der längeren Anreise von dem Ort entsteht, an dem er sich aus beruflichen Gründen aufhält.
3. Der Umstand, dass der Verdienstausfall des Zeugen in keinem angemessenen Verhältnis zu der Klageforderung steht, zu deren Berechtigung er vernommen worden ist, rechtfertigt es nicht, ihm die Entschädigung für ihm tatsächlich entstandene Aufwendungen zu versagen.
Normenkette
JVEG § 5 Abs. 5, § 22
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 16.09.2008; Aktenzeichen 11 S 88/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Potsdam vom 16.9.2008 - 11 S 88/06 - wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 272 EUR.
Gründe
I. Der klagende Mieter nahm die beklagte Vermieterin vor dem AG aus einem Mietaufhebungsvertrag auf Zahlung von 1.201 EUR in Anspruch, mit dem die Beklagte sich verpflichtet hatte, die dem Kläger durch den Umzug verursachten Kosten zu übernehmen.
Das AG hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen und das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Dagegen legte der Kläger Berufung zum LG ein. Das LG erhob Beweis über die Behauptung des Klägers, der Zeuge Voigt habe diverse Arbeiten im Zusammenhang mit dem Umzug des Klägers durchgeführt und für 26 Stunden eine Vergütung von 10 EUR pro Stunde erhalten. Der Zeuge Voigt wurde in Berlin geladen, reiste zum Termin jedoch bereits am Tag vor dem Termin aus Schaprode/Rügen an. Nach Beweisaufnahme hat das LG die Beklagte zur Zahlung von 260 EUR verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
Nach der Kostenentscheidung des landgerichtlichen Berufungsurteils trägt von den Kosten des Rechtsstreits der Kläger 78 %, die Beklagte 22 %, davon ausgenommen sind die Kosten der Beweisaufnahme zweiter Instanz, die die Beklagte zu tragen hat.
Die Gerichtskasse erteilte der Beklagten am 5.12.2007 eine Kostenrechnung über die durch die Beweisaufnahme angefallenen Gerichtskosten i.H.v. 296,50 EUR. Dabei handelt es sich um die dem Zeugen Voigt gezahlte Entschädigung i.H.v. 272 EUR Verdienstausfall für 16 Arbeitsstunden zu je 17 EUR, 22 EUR Fahrtkosten für die Anreise zum LG aus Berlin sowie 2,50 EUR Parkgebühren.
Gegen diese Gerichtskostenrechnung legte die Beklagte mit Schreiben vom 6.12.2007 Erinnerung ein. Das LG hat die Erinnerung der Beklagten durch Beschluss vom 16.9.2008 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10.4.2009 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie geltend macht, der Zeuge habe seine Tätigkeit nicht glaubhaft nachgewiesen. Er habe das Gericht vor seiner Anreise nicht darauf hingewiesen, dass ihm durch die Anreise aus Schaprode/Rügen einen Tag vor dem Termin ein erheblicher Verdienstausfall entstehen werde. Der abgerechnete Verdienstausfall von 272 EUR stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Streitwert von 260 EUR.
Das LG hat mit Beschluss vom 20.4.2009 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig, die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 GKG sind gegeben.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Soweit die Beklagte im Erinnerungsverfahren Beanstandungen gegen die dem Zeugen erstatteten Fahrtkosten von 22 EUR für die Fahrten von Berlin nach Potsdam und zurück und den abgerechneten Parkschein von 2,50 EUR erhoben hat, hat sie diese Einwendungen im Beschwerdeverfahren nicht wiederholt. Das LG hat sie im Übrigen zutreffend beschieden.
Die Beklagte beanstandet im Beschwerdeverfahren allein, dass dem Zeugen gem. § 22 JVEG eine Entschädigung für Verdienstausfall i.H.v. 272 EUR gezahlt worden ist.
Die Beklagte wendet zunächst ein, der Zeuge habe das Gericht vor seiner Anreise nicht darauf hingewiesen, dass ihm durch seine Anreise ein erheblicher Verdienstausfall entstehe. Diese Einwendung führt letztlich nicht dazu, dass die Beklagte die angesetzten Kosten nicht zu begleichen hat.
Aus § 5 Abs. 5 JVEG ist nicht ausdrücklich, wohl aber indirekt zu entnehmen, dass ein Zeuge dem Gericht mitzuteilen hat, von wo aus er anreist und wohin er zurückreist, wenn er die Anfahrt von einem anderen als dem Ort antritt, unter dem ihm die Ladung zugestellt worden ist. Die Gerichte im Land Brandenburg weisen Zeugen auf diese Verpflichtung bei der Ladung ausdrücklich hin. Es ist aus der Akte nicht ersichtlich, dass der Zeuge dem Gericht mitgeteilt hätte, dass er die...