Normenkette

FEVG § 10; AuslG §§ 53, 55, 57; AsylVfG § 14 Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 12 T 91/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.03.2003; Aktenzeichen VI ZB 55/02)

 

Tenor

Der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Frankfurt/Oder vom 17.4.2002 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen in der Zeit vom 18.3.2002 bis zum 3.5.2002 rechtswidrig war.

Der weiter gehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen fallen der Antragsgegnerin zur Last.

 

Gründe

I. Der Betroffene wurde am 4.2.2002 beim versuchten Grenzübertritt von Deutschland nach Polen von den polnischen Behörden aufgegriffen und an den Bundesgrenzschutz rücküberstellt. Auf dessen Antrag ordnete das AG am 5.2.2002 die Sicherungshaft zum Zwecke der Zurückschiebung bis zum 8.2.2002 an.

Weil die beabsichtigte Zurückschiebung des Betroffenen, der nicht über gültige Reisepapiere verfügte, in die Niederlande scheiterte, ordnete das AG auf Antrag der Ausländerbehörde der Stadt F. am 6.2.2002 die Sicherungshaft für die Dauer von drei Monaten an.

Unter dem 11.2.2002 stellte der Betroffene einen Asylantrag, der ausweislich des Eingangsstempels am 18.2. 2002 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden nur: Bundesamt) einging. Durch Bescheid vom 15.3.2002 lehnte das Bundesamt den Antrag „als offensichtlich unbegründet” ab und drohte die Abschiebung des Betroffenen in sein Heimatland Sierra Leone an. Der Bescheid wurde dem Betroffenen am 20.3.2002 in der Hafteinrichtung zugestellt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.4.2002 hat der Betroffene beantragt, die Haftanordnung vom 6.2.2002 aufzuheben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe seinen Asylantrag am 11.2.2002 einem Beamten der Hafteinrichtung übergeben. Die Haft habe kraft Gesetzes vier Wochen nach Eingang seines Asylantrages beim Bundesamt geendet, weil ihm bis zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung des Bundesamtes noch nicht zugestellt gewesen sei. Außerdem sei der Haftgrund der Anordnung vom 6.2.2002 entfallen, weil nicht mehr die Zurückschiebung in die Niederlande, sondern die Abschiebung nach Sierra Leone angedroht worden sei.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, weil der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG durch Beschl. v. 17.4.2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Abschiebehaft ende gerade nicht, wenn der Asylantrag als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dies gelte auch dann, wenn die innerhalb der Frist von vier Wochen getroffene Entscheidung nicht mehr innerhalb der Frist zugestellt werden konnte.

Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene am 22.4.2002 weitere Beschwerde eingelegt.

Am 3.5.2002 ist der Betroffene aus der Abschiebehaft entlassen worden.

Daraufhin hat der Betroffene „den Rechtsstreit für erledigt erklärt”. Er beantragt nunmehr festzustellen, dass die Abschiebehaft vom 11.3.2002 bis zum 3.5.2002 rechtswidrig war.

II. Die weitere sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, §§ 27, 29 FGG, 103 Abs. 2 AuslG, 3 S. 2 FEVG, namentlich in der rechten Form und fristgerecht eingelegt. Sie bleibt auch weiterhin mit dem jetzt noch verfolgten Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft zulässig, obwohl sich der ursprüngliche Verfahrensgegenstand durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat.

1. Entgegen früherer Auffassung der Rechtsprechung der Fachgerichte, auch des BGH (BGH v. 25.6.1998 – V ZB 7/98, BGHZ 139, 254), dürfen nach Maßgabe der Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, InfAuslR 2002, 132 = FGPrax 2002, 137 = DVBl 2002, 688) Beschwerden gegen die Haftanordnung nach § 57 Abs. 2 AuslG nicht (mehr) mit der Begründung als unzulässig verworfen werden, die Haftanordnung habe sich durch den Vollzug der Abschiebung, Entlassung aus der Abschiebehaft oder Ablauf der Haftdauer erledigt. Vielmehr besteht wegen des Gewichts der Eingriffe in das Grundrecht der Freiheit der Person, das den Inhaftierungen unter Berücksichtigung der mit ihnen verbundenen diskriminierenden Wirkung innewohnt, weiterhin ein Rechtsschutzinteresse dahin, dass die Rechtswidrigkeit der Haft festgestellt werde.

2. Diese Rechtsgrundsätze sind sinngemäß auch auf den Fall anzuwenden, dass zwar nicht die Haftanordnung selbst angefochten ist, der Betroffene aber den zulässigen (BGH v. 6.12.1979 – VII ZB 11/79, BGHZ 75, 375 [381] = MDR 1980, 393) Antrag gem. § 10 Abs. 2 FEVG auf Aufhebung der Haft gestellt hat, dieser zurückgewiesen worden ist und sich der Verfahrensgegenstand während des Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahrens – etwa durch Entlassung des Betroffenen nach Ablauf der Haftdauer – erledigt. Auch wenn die ursprüngliche Haftanordnung nicht angefochten ist, mithin nicht rechtswidrig war, beeinträchtigt die Fortdauer der Haft trotz eines zulässigen – und, wie in diesem Zusammenhang zu unterstellen ist, begründeten – Antr...

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