Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsabwehr im Kindesunterhaltsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung der Verfahrensstandschaft (§ 1629 III 1 BGB) betrifft auch alle Passivverfahren und damit auch die Abwehr der Vollstreckung aus einer Jugendamtsurkunde, die das Kind als Unterhaltsgläubiger berechtigt.

Zuständigkeitsanmaßungen des Prozessgerichts gegenüber dem Vollstreckungsgericht berühren die Wirksamkeit der Entscheidungen nicht. Die etwaige Kompetenzüberschreitung durch das Familiengericht ist der Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen.

Auch das Vollstreckungsverfahren hat für das Kind (noch) verheirateter Eltern der obhutgebende Elternteil als Verfahrensstandschafter zu betreiben.

Sind nach der Entscheidungsformel eines Beschlusses schon geleistete Unterhaltszahlungen "nachzubringen", also nicht mehr zu zahlen und nicht zu vollstrecken, lässt sich deren Höhe aber der Formel nicht entnehmen, so eignet sich der Beschluss nicht als Vollstreckungstitel, weil die zu vollstreckende Zahlungspflicht nicht ausreichend bestimmt ist.

Im Streit um die Berechtigung an einem hinterlegten Geldbetrag ist der Antrag auf auf die Einwilligung des Antragsgegners zur Auszahlung an den Antragsteller zu richten. Eine Anweisung der Hinterlegungsstelle als Ergebnis eines zivil- oder familiengerichtlichen Streitverfahrens, an dem das Land weder als Träger der Justizverwaltungsbehörden noch als Justizfiskus beteiligt ist, ist nicht vorgesehen.

Der Beschwerdegegner kann seinen in erster Instanz erfolgreichen Antrag nicht im Wege der Anschließung auf einen am Verfahren bisher nicht beteiligten Dritten erstrecken und Anträge nun auch gegen ihn stellen.

 

Normenkette

BbgHintG § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1, 3 Nr. 2; BGB § 1629 Abs. 3 1, Abs. 3 2; FamFG § 65 Abs. 4, § 66; GVG § 17 a Abs. 5, § 17a Abs. 6

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 117/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 8. März 2017 abgeändert:

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 1. April 2016 - 91 M 581/16 - wird aufgehoben.

Im übrigen werden die Anträge des Antragstellers und der Antragsgegnerin zu 1 abgewiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.376 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Vollstreckung aus Unterhaltstiteln.

I. Die Antragsgegnerin zu 2, die am Verfahren erster Instanz noch nicht beteiligt gewesen ist, und der Antragsteller sind die Eltern der 2008 geborenen Antragsgegnerin zu 1. Sie waren verheiratet; die Ehe ist während des Verlaufs dieses Verfahrens geschieden worden. Die Antragsgegnerin zu 1 lebt seit der Trennung der Eltern im Haushalt der Antragsgegnerin zu 2.

Der Antragsteller verpflichtete sich durch eine Jugendamtsurkunde, ab Oktober 2014 110 Prozent des Mindestunterhalts an die Antragsgegnerin zu 1 zu zahlen (Bl. 8).

Auf Grund dieser Urkunde erwirkte die Antragsgegnerin zu 1 wegen eines Rückstandsbetrages von 873 Euro und wegen der ab dem 1. Mai 2015 entstehenden Unterhaltsforderungen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Mai 2015 - 91 M 955/15 -, der sich auf die angeblichen Forderungen des Antragstellers auf Beamtenbesoldung richtete (Bl. 80 ff.).

Das im hier anhängigen Verfahren zunächst angegangene Amtsgericht Oranienburg - Familiengericht - hat mit seinem Beschluss vom 6. August 2015 - 32 F 106/15 - die Vollstreckung aus der Jugendamtsurkunde gegen Sicherheitsleistung teilweise einstweilen eingestellt. Die Sicherheitsleistung hat es auf 2.163 Euro für die von Januar bis Juli 2015 entstandenen Forderungen festgesetzt und auf je 309 Euro für die danach in jedem Monat entstehenden Forderungen (Bl. 95 f.).

Der Antragsteller hinterlegte Beträge von 2.472 Euro und zweimal 309 Euro, um die Sicherheit zu leisten (Amtsgericht Oranienburg, 5 HL 54/15, hier Bl. 105 ff., 199 ff., 202 ff.). Das Vollstreckungsgericht stellte daraufhin die Vollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für von Januar bis Juli und im September, Oktober, November und Dezember 2015 sowie in den Monaten Januar 2016 bis Februar 2017 entstandene Forderungen einstweilen ein (Bl. 108 f., 207 f., 209 f., 317 - 329, 377, 467 - 473).

Auf Grund eines Anerkenntnisbeschlusses, der den Antragsteller zur Zahlung von 115 Prozent des Mindestunterhalts von September 2014 bis Oktober 2015 verpflichtet, "wobei die unstreitig geleisteten Unterhaltszahlung nachzubringen sind" (Bl. 599 f.), erwirkte die Antragsgegnerin zu 2 wegen eines von September 2014 bis Oktober 2015 entstandenen Rückstandsbetrages von 2.216 Euro den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 1. April 2016 - 91 M 581/16 -, der sich auf angebliche Forderungen des Antragstellers gegen eine Bank richtete (Bl. 307 ff.).

Der Antragsteller hat gemeint, Zahlungen von insgesamt...

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