Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelungsbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung „Elterliche Sorge”
Leitsatz (amtlich)
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung der elterlichen Sorge setzt ein dringendes Regelungsbedürfnis voraus.
Verfahrensgang
AG Perleberg (Beschluss vom 18.12.2003; Aktenzeichen 16a F 288/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Perleberg vom 18.12.2003 geändert.
Der Antrag des Antragstellers, das Aufenhaltsbestimmungsrecht für die Kinder … und … im Wege der einstweiligen Anordnung auf ihn zu übertragen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde, mit der sich die Antragsgegnerin gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder … und … im Wege der einstweiligen Anordnung auf den Antragsteller wendet, ist gem. §§ 621g S. 2, 620c S. 1 ZPO zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Im selbständigen Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge gem. § 621a Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht die Möglichkeit, auf Antrag Regelungen im Wege der einstweiligen Anordnung zu treffen, § 621g ZPO. Eine solche einstweilige Anordnung, die auch Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist nur zulässig, wenn ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten, besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde (vgl. hierzu OLG Karlsruhe v. 15.8.1989 – 16 WF 144/89, FamRZ 1990, 304; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 621g Rz. 2). Dazu reicht es nicht, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (vgl. hierzu OLG Brandenburg v. 18.8.1997 – 9 WF 90/97, FamRZ 1998, 1249; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 30, m.w.N.). Eine derartige ernsthafte Beeinträchtigung des Kindeswohls, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigt, kann vorliegen, wenn im Falle der Trennung der Eltern das Kind bei einem Elternteil lebt, dessen Eignung zur Erziehung fehlt oder wenn dieser Elternteil mit dem Kind in einem für dieses ungünstigen Umfeld wohnt. Wird das Kind von dem Elternteil, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, mitgenommen, so kann – je nach den konkreten Gegebenheiten auch bei im Grunde gleicher Erziehungseignung der Eltern – eine einstweilige Anordnung erforderlich sein, wenn das Kind diese Änderung seiner Lebensverhältnisse nicht verkraftet. Eine einstweilige Anordnung kommt auch dann in Betracht, wenn ein Elternteil die Hauptbezugsperson des Kindes ist, das Kind von dieser Hauptbezugsperson getrennt wird und darunter leidet. Schließlich ist eine einstweilige Anordnung dann angebracht, wenn die getrennt lebenden Eltern sich immer wieder wechselseitig des Kindes bemächtigen, weil ein solches unkoodiniertes Hin und Her für das Kind eine schwere Belastung und starke Verunsicherung bedeutet (vgl. hierzu OLG Brandenburg FamRZ 2004, 210; OLG Karlsruhe v. 15.8.1989 – 16 WF 144/89, FamRZ 1990, 304 [305]).
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist vorliegend ein dringendes Bedürfnis für die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einstweilige Anordnung nicht gegeben.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die am 19.9.1988 geborene Tochter …, die nach dem Auszug der Antragsgegnerin aus der gemeinsamen Ehewohnung im Haushalt des Antragstellers verblieben ist, entspr. ihrem auch bei der Anhörung durch das AG geäußerten Wunsch, weiter beim Vater leben soll. Eine Änderung der Lebenssituation von … ist also von keiner Seite beabsichtigt. Es besteht dementsprechend kein Anlass für eine Eilentscheidung. Die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für … ist vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
Ein dringendes Regelungsbedürfnis besteht aber auch im Hinblick auf das am 27.8.1995 geborene Kind … nicht. Schwerwiegende Gründe in der eingangs dargestellten Art, die ein sofortiges Handeln erforderlich machen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar erachtet der Senat das von den Parteien zumindest zeitweise praktizierte und dem Wunsch von A. entspr. wöchentliche Wechselmodell regelmäßig als nicht förderlich für das Kindeswohl, sodass es für die beantragte Übertragung des Sorgerechts auf denjenigen Elternteil spricht, der eher die Gewähr für eine Beendigung eines solchen ständigen Aufenthaltswechsels bietet (vgl. hierzu OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1949). Wie sich aus den nicht angegriffenen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss ergibt, hat … bei ihrer Anhörung durch das AG aber bereits selbst den Wunsch geäußert, dauerhaft beim Antragsteller leben zu wollen. Die Antragsgegnerin hat dazu erklärt und in ihrer Beschwerdebegründung nochmals bestätigt, dass sie gegenwärtig nicht die Absicht habe, die Lebenssituation von … zu verändern und sie zu sich zu holen. Dass die Antra...