Leitsatz (amtlich)

War in einem Parallelverfahren ein Ablehnungsgesuch erfolgreich, weil der abgelehnte Richter das prozessuale Gleichheitsgebot verletzt hat, indem er über die Terminsverlegungsanträge der Verfahrensbevollmächtigten der beiden Beteiligten unterschiedlich entschieden hat, so wirkt sich dieser Ablehnungsgrund auf ein gleichzeitig anhängiges Verfahren aus mit der Folge, dass die Ablehnung auch in diesem Verfahren Erfolg hat.

 

Normenkette

ZPO § 42

 

Verfahrensgang

AG Eisenhüttenstadt (Beschluss vom 05.12.2013; Aktenzeichen 3 F 222/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 1.3.2013 gegen den Richter am AG Frost wird für begründet erklärt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I. In dem Parallelverfahren 3 F 46/12 hat der Senat durch Beschluss vom 18.2.2013 (10 WF 17/13) auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des AG vom 18.12.2012 das Ablehnungsgesuch gegen den erkennenden Richter für begründet erklärt. Mit Schriftsatz vom 1.3.2013 hat daraufhin die Antragsgegnerin den Richter auch im vorliegenden Verfahren als befangen abgelehnt. Durch den angefochtenen Beschluss vom 5.12.2013 hat das AG das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde, in der sie auf das Fortwirken des Ablehnungsgrundes aus dem Verfahren 3 F 46/12 verweist.

II. Die gem. §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567 f. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Zu Recht hat die Antragsgegnerin den erkennenden Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, §§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 42 Abs. 2 ZPO. Von Bedeutung sind dabei nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rz. 9). Nicht notwendig ist dabei, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es genügt die Besorgnis der Befangenheit (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 6 Rz. 24).

Inwieweit ein in einem Verfahren gegebener Ablehnungsgrund auch auf andere fortwirkt, ist Frage des Einzelfalls und hängt insbesondere vom konkreten Ablehnungsgrund ab (vgl. BerlVerfGH, NJW-RR 2002, 70 [71]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.12.1985 - 3 WF 262/85, BeckRS 2009, 29301; Gehrlein in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 42 Rz. 14; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 19). Jedenfalls dann, wenn die erfolgreiche Ablehnung auf Voreingenommenheit gegen die Person des Ablehnenden gestützt war, greift der Ablehnungsgrund auch in den anderen Verfahren durch (OLG Celle, Nds. Rechtspflege 1976, 215; OLG Karlsruhe, Justiz 1987, 144; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 42 Rz. 13; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 19; bei starken persönlichen Spannungen zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten differenzierend OLG Nürnberg OLGZ 1994, 209 f.). Zu beachten ist aber stets die Sichtweise eines verständigen Beteiligten. Ist ein Richter in einem anderen Verfahren wegen Benachteiligung eines Beteiligten erfolgreich abgelehnt worden, so wird aus der Sicht des betroffenen Beteiligten - jedenfalls bei engem zeitlichem Zusammenhang der Gerichtsverfahren - vielfach Grund zu der Annahme gegeben sein, dass sich die für ihn nachteilig in Erscheinung getretene Einstellung des abgelehnten Richters auch auf ein anderes Verfahren, an dem er beteiligt ist, auswirkt mit der Folge, dass die Ablehnung auch in dem letztgenannten Verfahren Erfolg hat (OLG Brandenburg, 1. Zivilsenat, Beschl. v. 15.9.1999 - 1 W 14/99, BeckRS 1999, 09064 Rz. 12). Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Verfahren gleichzeitig anhängig sind und in einem Verfahren ein Ablehnungsgesuch bereits Erfolg hatte (vgl. OLG Nürnberg, MDR 1965, 667; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Gehrlein, a.a.O., § 42 Rz. 14). Eine solche Voreingenommenheit lässt sich - jedenfalls aus Sicht des Beteiligten- kaum auf ein einzelnes Verfahren beschränken. Für den Beteiligten wäre es nicht verständlich, wenn derselbe Richter ihm gegenüber in einem Verfahren als voreingenommen gilt, in einem gleichzeitig anhängigen Verfahren aber nicht (OLG Celle, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund greift hier der vormalige Ablehnungsgrund auf das hiesige Verfahren durch. In dem Parallelverfahren 3 F 46/12 hat der Senat dem Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin mit der Begründung stattgegeben, aus Sicht der Antragsgegnerin habe der abgelehnte Richter das prozessuale Gleichheitsgebot verletzt, indem er über die Terminsverlegungsanträge der...

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