Verfahrensgang

AG Bad Freienwalde (Entscheidung vom 16.10.2020; Aktenzeichen 31 OWi 203 Js-OWi 8511/20 (79/20)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 16. Oktober 2020 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bad Freienwalde zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 hat die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h ein Bußgeld in Höhe von 195,- EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet.

Auf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht Bad Freienwalde das Verfahren mit Beschluss vom 16. Oktober 2020 eingestellt. Es hat den Bußgeld Bescheid wegen mangelnder Bestimmtheit für unwirksam gehalten.

Gegen den Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Rechtsbeschwerde eingelegt und diese unter dem 8. März 2021 rechtzeitig begründet. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg tritt der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bei und beantragt zu entscheiden, wie geschehen.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist mit der Sachrüge zulässig und begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 29. März 2021 das Folgende ausgeführt:

"I.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthaft.

Die gerichtliche Einstellung im Beschlusswege nach § 47 Abs. 2 OWiG in der Hauptverhandlung vom 16.10.2020 erfolgte rechtsfehlerhaft, da zur Begründung ersichtlich nur auf das angenommene Verfahrenshindernis des unwirksamen Bußgeldbescheides abgestellt wurde. Es hätte somit ein Einstellungsurteil gemäß § 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ergehen müssen.

Für die Bestimmung des zulässigen Rechtsmittels ist es unerheblich, dass die Einstellung fehlerhaft in einem Beschluss gemäß § 47 Abs. 2 OWiG erfolgte. Welches Rechtsmittel im Einzelfall zulässig ist, richtet sich nach der Entscheidung, gegen die es sich wendet. Dabei kommt es auf die Bezeichnung der Entscheidung nicht an, sondern auf ihren sachlichen Inhalt [vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.10.1990, - 3 Ws 870/90 u. 2 Ss (OWi) 334/90 - (OWi) 65/90 III -; juris]. Das statthafte Rechtsmittel gegen ein Einstellungsurteil nach § 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG ist daher die Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde ist entsprechend §§ 79 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht angebracht worden.

Auch wenn keine ausdrückliche Zustellungsanordnung des Gerichts gemäß § 41 StPO vorliegt, so ist dieser Mangel durch den tatsächlichen Zugang des Beschlusses an die Staatsanwaltschaft am 24.02.2021 (BI. 69 d. A.) gemäߧ 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO geheilt, welcher auch den Beginn der Rechtsmittelfristen auslöste.

Die Einlegung der Rechtsbeschwerde ist am 01.03.2021 (BI. 78 d. A.) und die Begründung am 15.03.2021 (BI. 80ff. d. A.) bei Gericht eingegangen. Die Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung an den Betroffenen und seinen Verteidiger ist am 19.03.2021 verfügt worden (BI. 85R d. A.).

II.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Die Annahme der Tatrichterin, der Bußgeldbescheid stelle keine ausreichende Verfahrensgrundlage dar, erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Aufgabe des Bußgeldbescheides ist es, dem Betroffenen vor Augen zu führen, welche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 264 StPO) ihm zur Last gelegt wird. Dementsprechend muss der Bußgeldbescheid gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung enthalten. Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist, dass der Betroffene - trotz eventuell missglückter Kennzeichnung der Tat - erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen den Gegenstand des Verfahrens bildet (vgl. Göhler/Seitz OWiG, 16. Aufl., § 66 Rn. 12; OLG Köln, Beschluss vom 16.03.2018, - 111-1 RBs 84/18 -, juris).

Die sich insbesondere aus § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG ergebenden und den gesetzlichen Anforderungen an die strafprozessuale Anklageschrift (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO) und den Strafbefehl (409 Abs. 1 Satz 1 StPO) nachgebildeten Anforderungen an den Bußgeldbescheid als wirksame Verfahrensgrundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung dürfen nicht überspannt werden. Entscheidend ist, dass der Betroffene anhand der Tatbeschreibung des Bußgeldbescheides, also namentlich aus den Angaben zum Begehungsort und zur Tatzeit erkennen kann, wegen welchem konkreten Fehlverhalten er zur Verantwortung gezogen werden soll und insoweit eine Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ausgeschlossen ist. Deshalb genügt zur Bezeichnung der Tat im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG...

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