Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der für eine wirksame Zustellung erforderlichen Zustellungsabsicht, wenn das zuzustellende Schriftstück sowohl der Partei selbst gegen Zustellungsurkunde als auch deren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis zugeleitet wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 124, 166, 172

 

Verfahrensgang

AG Perleberg (Beschluss vom 14.05.2008; Aktenzeichen 16b F 214/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat, worauf das AG bereits in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 21.10.2008 hingewiesen hat, die Beschwerdefrist nicht eingehalten.

1. Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben, da der Kläger der Aufforderung, sich gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO darüber zu erklären, ob auf eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, nicht nachgekommen ist. Am 14.7.2008 ist eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst zwei Belegen eingegangen. Diese Eingabe ist bei verständiger Würdigung als Rechtsmittel gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung aufzufassen. Dass es sich um einen erneuen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe handelt, kann schon deshalb angenommen werden, weil das Hauptsacheverfahren durch Urteil des AG vom 7.7.2005 seinen Abschluss gefunden hat und ein erst nach Instanzende gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben kann (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 117 Rz. 2b).

2. Für die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den die Prozesskostenhilfebewilligung aufhebenden Beschluss gilt gem. § 127 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO eine Frist von einem Monat. Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Zustellung der Entscheidung, § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

3. Die Zustellung des Aufhebungsbeschlusses hat grundsätzlich an den für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Hat dieser den (ursprünglichen) Prozesskostenhilfeantrag gestellt und ist er der Partei mit dem Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss beigeordnet worden, so gilt seine Bestellung i.S.v. § 172 Abs. 1 ZPO auch in einem nach Instanzbeendigung durchgeführten Überprüfungsverfahren gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO fort mit der Folge, dass sowohl die Aufforderung, sich über eine etwaige Änderung der persönlichen Verhältnisse zu erklären, als auch ein auf § 124 Nr. 2 ZPO gestützter Aufhebungsbeschluss an den bevollmächtigten Rechtsanwalt zu richten sind (BAG, NZA 2006, 1128; Senat, FamRZ 2008, 72 Nr. 37; OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen, FamRZ 2008, 1356; LAG Rheinland-Pfalz, MDR 2007, 432; a.A. OLG München, FamRZ 1993, 580; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 531; Zöller/Philippi, a.a.O., § 120 Rz. 28).

4. Vorliegend ist der angefochtene Beschluss sowohl dem Kläger persönlich gegen Zustellungsurkunde als auch seiner Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Maßgeblich ist die Zustellung an die Prozessbevollmächtigte, die nach § 172 ZPO weiterhin für das Verfahren bestellt ist. Auch insoweit liegt eine wirksame Zustellung vor. Insbesondere ist ungeachtet des Umstands, dass eine Zustellung auch an den Kläger persönlich erfolgt ist, im Hinblick auf die Zustellung an die Prozessbevollmächtigte davon auszugehen, dass die für jede Zustellung erforderliche Zustellungsabsicht gegeben ist.

Zustellung ist gem. § 166 Abs. 1 ZPO die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der gesetzlich bestimmten Form (vgl. auch Zöller/Stöber, a.a.O., § 166 Rz. 1). Die Bekanntgabe durch Zustellung erfordert grundsätzlich die Zustellungsabsicht des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (vgl. BGH NJW 1994, 2297; MünchKomm/Häublein, ZPO, 3. Aufl., § 168 Rz. 5; Zöller/Stöber, a.a.O., § 166 Rz. 2). Wenn die Zustellung durch Verfügung des Richters oder Rechtspflegers angeordnet ist, kommt es auf dessen Willensäußerung an (BGH, NJW 1956, 1878; Zöller/Stöber, a.a.O., § 167 Rz. 2).

Vorliegend hat die Rechtspflegerin durch Verfügung vom 14.5.2008 die Zustellung des angefochtenen Beschlusses angeordnet, so dass es auf ihre Willensäußerung ankommt. Die Anordnung erfolgte in folgender Form:

"Ausfertigung des vorstehenden Beschlusses an:

a) Kl. (persönlich) - zustellen

b) Kl.-Vertr. z. K. - gegen EB"

Damit wollte die Rechtspflegerin offensichtlich bewirken, dass der angefochtene Beschluss sowohl dem Kläger persönlich gegen Zustellungsurkunde als auch der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis zugeleitet wird, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist. Geboten war gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die Zustellung an die für den Rechtszug bestellte Prozessbevollmächtigte. Dass auch eine Zustellung an den Kläger persönlich erfolgt ist, ändert aber nichts an der Zustellungsabsicht im Hinblick auf dessen Prozessbevollmächtigte.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die A...

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