Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das Hauptsacheverfahren noch offen ist, ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht regelmäßig ausschlaggebend, dass ein mehrfacher Wechsel des Wohnortes und der unmittelbaren Bezugsperson, der das Kindeswohl in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigen würde, zu vermeiden ist.
2. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung selbst dann nicht immer notwendig, wenn ein Regelbeispiel i.S.v. § 158 Abs. 2 FamFG vorliegt.
Normenkette
FamFG §§ 49, 158
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Beschluss vom 16.01.2013; Aktenzeichen 10 F 34/13) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Eltern haben für die beiden in den Jahren 2007 und 2008 geborenen Kinder J. und I.. Sorgeerklärungen gem. § 1626a BGB abgegeben. Im Haushalt der Eltern lebten ferner die beiden älteren Kinder der Antragstellerin, M., 15 Jahre alt, und N., 16 Jahre alt.
Am 2.1.2013 rief eine der Töchter der Antragstellerin, nachdem sie vom Antragsgegner geschlagen worden war, die Polizei. Die beiden Mädchen wurden danach in einer Einrichtung des Jugendamtes untergebracht, während die Antragstellerin ins Frauenhaus zog.
Das vorliegende Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist von der Antragstellerin am 11.1.2013 eingeleitet worden.
In dem Anhörungstermin vor dem AG am 16.1.2013 haben die Eltern einen Vergleich geschlossen, der dem Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht erhält, ein Umgangsrecht einräumt. Der Vergleich ist vom AG gebilligt worden, § 156 Abs. 2 FamFG.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. und I ... der Mutter allein übertragen und die Herausgabe der Kinder angeordnet. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Vater mit der Beschwerde. Er trägt vor:
Das AG habe nicht geprüft, ob die Mutter überhaupt in der Lage sei, vier Kinder zu versorgen und zu erziehen. Auch habe das AG allein ihm "Sprachlosigkeit" gegenüber den beiden Töchtern der Mutter vorgeworfen, aber die "Sprachlosigkeit" der Mutter gegenüber den beiden Töchtern nicht berücksichtigt. Richtig sei, dass er, nachdem M. ihn angegriffen habe, sich einmal vergessen habe und ihr eine Ohrfeige versetzt habe. Das sei allerdings innerhalb der sieben Jahre, in denen die Familie zusammengelebt habe, das einzige Mal gewesen, dass er körperlich tätlich geworden sei.
Das AG habe bei seiner Entscheidung die damit drohende Entfremdung der Kinder ihm gegenüber nicht berücksichtigt. Eine Umgangsregelung habe die Mutter nur sehr widerstrebend geschlossen.
Bei der Kindesanhörung habe das AG nicht beachtet, dass die beiden Jungen durch die älteren Mädchen massiv beeinflusst worden seien.
Die Mutter verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie trägt vor:
Sie sei sehr wohl in der Lage, alle vier Kinder zu versorgen und zu erziehen. Das AG habe sowohl ihre als auch des Vaters Erziehungsfähigkeit erörtert. Dabei sei kein Beteiligter bevorzugt oder benachteiligt worden.
Die Kinder seien vom AG ordnungsgemäß angehört worden. Die Jungen seien durch die älteren Mädchen nicht beeinflusst worden.
Das Jugendamt hat im Beschwerdeverfahren Stellung genommen. Insoweit wird auf den Bericht vom 30.1.2013 Bezug genommen.
II. Die gem. §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung liegen nicht vor.
1. Das nach § 49 Abs. 1 FamFG für die getroffene Anordnung erforderliche dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, das sog. Regelungsbedürfnis, ist gegeben. Insoweit hat das AG zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren schon deshalb nicht abgewartet werden könne, weil im Hinblick auf die Eskalation in der Familie die Mutter im Frauenhaus und ihre beiden Töchter in einer Einrichtung der Jugendhilfe aufgenommen worden sind.
2. Die vom AG getroffene Entscheidung ist nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt, § 49 Abs. 1 FamFG.
Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in diesem Teilbereich und die Übertragung auf den Antrag stellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. In dem summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/von Swieykowski-Trzaska, 2. Aufl., § 2 Rz. 223; Seiler, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl., 1. Kap. Rz. 433) sind abschließende Feststellungen zu der Frage, wie dem Kindes...