Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des Schwellenwerts bei Architektenleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Erreichung des Schwellenwertes ist maßgeblich die Schätzung des Auftraggebers, die er zu Beginn eines Vergabeverfahrens in eigener Verantwortung und mit der gebotenen Sorgfalt vorzunehmen hat. Fehlt eine solche Schätzung, kann diese durch die Vergabekammer oder den Vergabesenat vorgenommen werden.

2. Sollen Architektenleistungen vergeben werden, ist maßgeblich für das Erreichen des Schwellenwertes von 200.000 EUR das geschätzte Netto-Architektenhonorar einschließlich Nebenkosten nach HOAI.

3. Wird in einem Architekten- oder Ingenieurvertrag eine Bausumme als Beschaffenheit des geschuldeten Werkes vereinbart dann bildet diese Summe die Obergrenze der anrechenbaren Kosten für die Honorarberechnung, unabhängig davon, ob sich der vorgegebene Standard der Planung mit den vereinbarten Baukosten realisieren lässt. Dies gilt nicht nur im Honorarprozess, sondern auch bei der Auftragswertschätzung.

 

Normenkette

VgV §§ 1-3; VOF §§ 2-3

 

Verfahrensgang

1. Vergabekammer des Landes Brandenburg (Aktenzeichen 1 VK 3/06)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 21.4.2006 bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Auftraggeberin schrieb im Ausschreibungsblatt des Landes Brandenburg vom 22.8.2005 einen offenen zweiphasigen Realisierungswettbewerb nach den Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaues und des Bauwesens (GRW 1995 - novellierte Fassung vom 22.12.2003) aus. Eine europaweite Ausschreibung erfolgte nicht. Die Auftraggeberin gab auch weder in der Bekanntmachung noch in den Auslobungsunterlagen eine zur Nachprüfung zuständige Vergabekammer oder eine Vergabeprüfstelle an.

Ziel des Wettbewerbs ist es, ein am Marktplatz in der Altstadt der ausschreibenden Stadt im Jahre 1974 errichtetes, mit Keller insgesamt fünfgeschossiges Gebäude, das als Arbeiterwohnheim genutzt wurde, in das vorhandene, kleinteilig bebaute Marktplatzensemble zu integrieren. Nach der Vorstellung der Auftraggeberin sollen die beiden oberen Geschosse des Gebäude abgetragen und das Dach neu gestaltet werden. Weiter sollen im Wohnquartier ein Wohngebäude zurückgebaut und die umliegenden Freiflächen neu gestaltet werden.

In der Ausschreibung der Auftraggeberin war der voraussichtliche Zeitplan des Wettbewerbs aufgeführt. Danach sollte die Preisgerichtssitzung für die erste Phase des Wettbewerbs am 12.1.2006 stattfinden. In der zweiten Phase des Wettbewerbs sollte die Zahl der Teilnehmer auf 12 begrenzt werden. Das Verfahren sollte in beiden Phasen anonym sein. Nach der Entscheidung des Preisgerichts über die Zulassung der eingereichten Entwürfe und Beurteilung der zugelassenen Arbeiten sollte dieses die Teilnehmer an der zweiten Wettbewerbsphase bestimmen und in dieser Phase die Arbeiten abschließend und verbindlich beurteilen. Aufgrund einer schriftlichen Empfehlung des Preisgerichtes beabsichtigte die Auftraggeberin, einen Preisträger mit der weiteren Bearbeitung der Leistungsphasen 2-8 nach § 15 HOAI zu beauftragen, wobei das Preisgeld auf das Honorar für bereits erbrachte Leistungen angerechnet werden sollte.

Unter Ziff. 3.10 der Auslobungsunterlagen wurde auf den in Abstimmung mit dem Fördermittelgeber für die Maßnahme maximal zur Verfügung stehenden Förderbetrag von 1.650.000 EUR ohne nutzungsspezifische Baukosten und Ausstattung hingewiesen. Hinzukommen sollten die Kosten für die Neugestaltung der umliegenden Freiflächen, die dem Gebäude nicht unmittelbar zuzuordnen sind, wobei nach der Fördermittelrichtlinie 75 DM/qm zur Verfügung stehen. Die Einhaltung des Kostenrahmens war von den Teilnehmern in der zweiten Wettbewerbsphase nachzuweisen.

Dieser Kostenrahmen beruht auf einem sog. Grobcheck der Brandenburgischen Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH (B.B.S.M.) vom 18.5. (Bl. 212-216 VK 3/06) und 8.6.2005 (Vergabeakten, 1 Blatt). Danach ergeben sich Bruttobaukosten von 615.000 EUR für die Gebäudehülle, 678.300 EUR für den Rohausbau, 87.700 EUR für zum Gebäude gehörende Außenanlagen und 118.000 EUR für den Rückbau, insgesamt 1.499.000 EUR. In Abstimmung mit dem Fördermittelgeber wurde der Planansatz um einen städtebaulichen Zuschlag von 10 % auf 1.650.000 EUR erhöht.

Die Auftraggeberin führte keine Ermittlung des Architektenhonorars für die ausgelobten Architektenleistungen nach der HOAI durch. Sie schätzte es auf der Grundlage von Baukosten von 1.207.000 EUR netto bei Honorarzone III Mittelsatz unter Verwendung einer Vorlage aus Baden-Württemberg auf 105.800 EUR netto und ermittelte daraus das ausgelobte Preisgeld von 30.000 EUR.

Die Auftraggeberin übersandte interessierten Teilnehmern die Auslobungsunterlagen. Danach waren in der ersten Bearbeitungsphase Entwürfe bis zum 18.11.2005 bis spätestens 11 Uhr bei der Stadtverwaltung abzugeben. Im Rückfragenkolloquium am 12.10.2...

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