Verfahrensgang
AG Potsdam (Entscheidung vom 16.03.2021; Aktenzeichen 73 OWi 466 Js-OWi 45665/20 (586/20) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam wird das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 16. März 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Potsdam zurückverwiesen.
Gründe
I.
1. Das Hauptzollamt ... hat mit Bußgeldbescheid vom 20. Juli 2020 gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Unterschreitens des Mindestlohnes gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 9, 20 Mindestlohngesetz (MiLoG) iVm. §§ 17, 35, 65 OWiG ein Bußgeld in Höhe von 1.060,00 € festgesetzt.
Mit dem Bußgeldbescheid wird dem Betroffenen vorgeworfen, als Inhaber des "...-..." in ... im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 dem Arbeitnehmer ... ... nicht den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € brutto, sondern lediglich einen Stundenlohn von 7,00 € gezahlt zu haben. Bei einer monatlichen Arbeitszeit von 65 Stunden belaufe sich die monatliche Differenz von tatsächlich geleistetem Lohn zum Mindestlohn auf 97,50 €, so dass sich für den Tatzeitraum eine Unterschreitung des Mindestlohnes auf insgesamt 585,00 € errechne. Der Bemessung der Geldbuße hat das Hauptzollamt ... einen geschätzten Marktvorteil von 120,00 €/Monat zugrunde gelegt und bei der Festsetzung der individuellen Geldbuße den Verschuldensgrad, die Art und Dauer der Zuwiderhandlung, den lange zurückliegenden Tatzeitraum berücksichtigt und diese mit 50% des wirtschaftlichen Vorteils berechnet.
Vor Erlass des Bußgeldbescheides war dem Betroffenen mit Schreiben vom 29. November 2018 die Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz wegen Verstoßes gegen § 20 MiLoG bekannt und ihm zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 22. Juli 2020 zugestellt; mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Juli 2020 hat der Betroffene dagegen Einspruch eingelegt.
Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen hat der Bußgeldrichter des Amtsgerichts Potsdam zunächst mit Verfügung vom 18. November 2020 Termin zur Hauptverhandlung auf den 19. Januar 2021 anberaumt, den Termin wegen Verhinderung des Verteidigers mit Verfügung vom 26. November 2020 auf den 9. Februar 2021 und schließlich mit weiterer Verfügung vom 8. Februar 2021 auf den 16. März 2021 verlegt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 12. Februar 2021 vertritt der Betroffene unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 266a StGB die Auffassung, dass die Ordnungswidrigkeit jedenfalls verjährt und das Verfahren einzustellen sei.
2. Das Amtsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 16. März 2021 das Verfahren gegen den Betroffenen wegen des absoluten Verfahrenshindernisses der Verjährung nach § 260 Abs. 3 StPO iVm. § 71 OWiG eingestellt. Das Amtsgericht bezieht sich hierzu auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 2019, 1 StR 58/19, NStZ 2020, 159 ff. und vom 1. September 2020, 1 StR 58/19, ZIP 2020, 2404 ff.; ebenso: BGH, Beschluss vom 4. Februar 2020, 3 AR 1/20; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2020, 5 AR 1/20, zit. jeweils nach juris) zu der Strafnorm des § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt), wonach die Verjährung hinsichtlich dieser Norm nicht erst mit Wegfall der Zahlungsfrist, sondern bereits mit der Nichtzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit beginne. Dies führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der letzten Tat im Juni 2015 die Zahlung des Mindestlohnes spätestens am letzten Werktag des Folgemonats, mithin am 31. Juli 2015 fällig gewesen sei. Mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunkts sei die dem Betroffenen vorgeworfene Tat aus dem Juni 2015 spätestens am 1. August 2015 beendet worden, so dass an diesem Tag die dreijährige Verjährung in Gang gesetzt worden sei. Im Zeitpunkt der Anhörung des Betroffenen im September 2018 als erste die Verjährung unterbrechende Handlung sei die Ordnungswidrigkeit bereits verjährt gewesen.
3. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat mit dem am 18. März 2021 bei Gericht eingegangenem Schreiben gegen das vorgenannte amtsgerichtliche Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach der am 22. April 2021 gemäß § 41 StPO iVm. § 71 OWiG erfolgten Urteilszustellung unter dem Datum des 1. Mai 2021, eingegangen bei Gericht am 5. Mai 2021, begründet. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass die durch den Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei § 266a StGB auf Ordnungswidrigkeiten und damit auch auf Verstöße gegen das Mindestlohngesetz nicht übertragbar sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist in ihrer Stellungnahme vom 11. Juni 2021 der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam beigetreten und hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 16. März 2021 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amts...