Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesschutzsache: Entziehung der Vermögenssorge wegen Vermögensgefährdung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vermögensgefährdung (§ 1666 Abs. 1 BGB) erfordert entsprechend zum Gefährdungsbegriff im persönlichen Bereich eine voraussehbare erhebliche Schädigung des Kindesvermögens. Dass anstelle der elterlichen Maßnahmen sachdienlichere möglich waren oder sind, genügt hierfür nicht - auch im Vermögensbereich ist es nicht Aufgabe des Kindesschutzes, für eine optimale Wahrung der Kindesinteressen zu sorgen. Schutzobjekt des § 1666 Abs. 1 BGB ist nicht jedes Einzelinteresse des Kindes, sondern "sein Vermögen", dh seine vermögensrechtliche Position insgesamt - hierauf ist das Erfordernis einer "erheblichen Schädigung" zu beziehen (vgl. Staudinger/Coester (2016) BGB § 1666, Rn. 182).

2. Eine Vermögensgefährdung fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. April 2014 - 13 UF 48/14 -, juris Rn. 21; Senat FamRZ 2017, 966, juris Rn. 12), wenn der Sorgeberechtigte gewillt und imstande ist, drohende Nachteile für das Vermögen des Kindes künftig abzuwenden.

3. Schutzanordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen (§ 1666 Abs. 2 Fall 3 BGB), und deren Mißachtung eine Vermögensgefährdung indizieren kann, sind beschlussmäßig und damit vollstreckbar gefasste Maßnahmen des Familiengerichts, insbesondere auf der Grundlage der §§ 1640 Abs. 3, 1667 Abs. 1-3 BGB (vgl. Staudinger/Coester (2016) BGB § 1666, Rn. 201). Sie sind im Falle einer Vermögensgefährdung als mildere Mittel gegenüber einer Entziehung der Vermögenssorge zu prüfen.

 

Verfahrensgang

AG Zossen (Aktenzeichen 6 F 2013/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 05.04.2018 abgeändert:

Der Erlass einer kindesschutzrechtlichen Maßnahme wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die alleinsorgeberechtigte Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Entziehung der Vermögenssorge für ihren Sohn.

Dieser hat, vertreten durch seine Mutter und vormundschaftsrechtlich genehmigt, ein an ererbte Grundstücke grenzendes Grundstück zur Beseitigung eines Überbaus erworben.

Nach Zahlungsstockungen wandte sich der Verkäufer zur Erlangung des Restkaufpreises anwaltlich vertreten an die gleichfalls anwaltlich vertretene Mutter. Dies führte zu einer anwaltlich verfassten Ratenzahlungsvereinbarung, die die Mutter nach Mitteilung des Verkäuferanwalts sodann regelmäßig erfüllte.

Nach mehreren Auskunftsaufforderungen hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, der Kindesmutter die Vermögenssorge entzogen. Sie habe Anordnungen des Familiengerichts nicht befolgt, worin sich eine Vermögensgefährdung manifestiere. Neben unzureichenden Auskünften habe sie überdies das Kindesvermögen durch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geschädigt. Zudem stehe das Anfallen weiterer Kosten einer klageweisen Beitreibung der dem Kind obliegenden Zahlungsverpflichtungen unmittelbar bevor.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, der Stundungsabrede mit dem Grundstücksverkäufer nachgekommen zu sein und die Fragen des Gerichts hinreichend beantwortet zu haben.

Das Amtsgericht hat ein Abhilfeverfahren vorgenommen und die Sache mit Nichtabhilfebeschluss vom 04.06.2019 dem Senat vorgelegt.

Dieser entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S 2 FamFG). Es ist nicht ersichtlich, welche weitere Aufklärung des Sachverhalts durch mündliche Anhörungen erreicht werden könnte.

II. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff FamFG statthaft und zulässig.

Das Nichtabhilfeverfahren des Amtsgerichts war unzulässig, § 68 Abs. 1 S 2 FamFG. Die Entziehung der Vermögenssorge stellt eine Endentscheidung des dafür nach § 3 Nr. 2 a) RPflG zuständigen Rechtspflegers dar, gegen dessen Entscheidung nach § 11 Abs. 1 RPflG die allgemeinen Rechtsbehelfe eröffnet sind. Damit versperrt § 68 Abs. 1 S 2 FamFG die Möglichkeit zur Selbstabhilfe.

Die Beschwerde ist begründet.

Eine Entziehung der Vermögenssorge nach § 1666 BGB ist nicht gerechtfertigt.

Es fehlt bereits an einer Vermögensgefährdung (§ 1666 Abs. 1 BGB). Entsprechend zum Gefährdungsbegriff im persönlichen Bereich erfüllt nur eine voraussehbare erhebliche Schädigung des Kindesvermögens den Tatbestand. Dass anstelle der elterlichen Maßnahmen sachdienlichere möglich waren oder sind, genügt hierfür nicht - auch im Vermögensbereich ist es nicht Aufgabe des Kindesschutzes, für eine optimale Wahrung der Kindesinteressen zu sorgen. Schutzobjekt des Abs. 1 ist nicht jedes Einzelinteresse des Kindes, sondern "sein Vermögen", dh seine vermögensrechtliche Position insgesamt - hierauf ist das Erfordernis einer "erheblichen Schädigung" zu beziehen. Die Beeinträchtigung von Vermögensinteressen unterhalb der Grenze der Vermögensgefährdung bleibt sorgerechtlich sanktionslos (vgl. Staudinger/Coester (2016) BGB § 1666, Rn. 182). Dass das Vermögen des Kindes in seiner Ge...

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