Verfahrensgang
AG Perleberg (Entscheidung vom 15.01.2004; Aktenzeichen 22 Ds 177/03) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 15. Januar 2004 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Amtsgericht Perleberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Perleberg hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil im beschleunigten Verfahren ohne Hinzuziehung eines Verteidigers wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts, vor allem den Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO, geltend macht; er bemängelt, dass das Amtsgericht ohne Mitwirkung eines Verteidigers verhandelt und entschieden habe, obwohl eine solche wegen der zu erwartenden Rechtsfolgen geboten gewesen wäre.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg. ...
Im Hinblick auf die Verfahrensbeanstandungen des Angeklagten erweist sich die Revision allerdings nur insoweit als zulässig, als sie rügt, dem Angeklagten sei (entgegen §§ 140 Abs. 2, 418 Abs. 4 StPO) für das Verfahren kein notwendiger Verteidiger beigeordnet worden. (Nur) insoweit gibt sie die den behaupteten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an. Dem steht nicht entgegen, dass der Rechtsmittelführer in diesem Zusammenhang auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls verweist, ohne eine Ablichtung desselben in die Revisionsbegründungsschrift einzustellen. Auch wenn Verfahrensrügen in der Regel ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf die Akten und insbesondere das Sitzungsprotokoll begründet werden müssen (vgl. BGH MDR 1970, 900; NStZ 1985, 208; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 12. Januar 2004 - 1 Ss 98/03 -) war der Senat aufgrund der vom Angeklagten zugleich erhobenen - zulässigen - Sachrüge berechtigt, zur Ergänzung des unvollständigen Tatsachenvortrages der Revision auf den Inhalt des angefochtenen Urteils zurückzugreifen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ 1997, 612 f); einer erschöpfenden Darstellung des Verfahrensmangels in der Rechtsmittelschrift bedarf es in diesem Falle also dann nicht, wenn die in Frage stehenden Verfahrensvorgänge im Urteil selbst umfassend wiedergegeben und klar erkennbar sind (BGHSt 36, 385; Senatsbeschluss vom 12. Januar 2004 a. a. O.). So liegt der Fall hier, denn bereits das Rubrum des amtsgerichtlichen Urteils belegt, dass die Hauptverhandlung ohne einen Verteidiger des Revisionsführers durchgeführt wurde.
Die Revision ist mit der skizzierten Beanstandung begründet. Der Tatrichter hat die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ohne den Beistand eines Verteidigers und mithin in Abwesenheit einer Person durchgeführt, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt. Die Mitwirkung eines Verteidigers war schon gemäß § 140 Abs. 2 StPO zwingend erforderlich, so dass es auf die einschränkenden Voraussetzungen des § 418 Abs. 4 StPO vorliegend nicht ankam (zutreffend: Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 418, Rz. 13; Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 20. Auflage, § 418, Rz. 42). Gemäß § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO ist dem Angeklagten ein Verteidiger unter anderem dann zu bestellen, wenn dies wegen der Schwere der Tat erforderlich ist. So lag der Fall hier.
Eine Tat ist schwer im Sinne der angeführten Vorschrift, wenn die zu erwartende Rechtsfolge einschneidend ist (BGHSt 6, 199; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1978, 355; OLG Celle wistra 1960, 233), mithin dann, wenn eine längere Freiheitsstrafe, eine gravierende Maßregel der Besserung und Sicherung oder sonst eine erhebliche Rechtsfolge droht. Bei einer Straferwartung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ist das in der Regel jedenfalls dann der Fall, wenn eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung nicht in Erwägung zu ziehen ist (ständige Rechtsprechung der Strafsenate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, vgl. Beschluss des 2. Senats vom 20. Juni 2000 - 2 Ss 41/00 - m. w. N.). Die Schwere der Tat im hier erörterten Sinne wird jedoch nicht nur durch die im Verfahren selbst zu erwartende Rechtsfolge, sondern auch durch schwerwiegende mittelbare Nachteile bestimmt, die aus der zu erwartenden Verurteilung folgen können, etwa durch den drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in anderer Sache (OLG Celle StV 1988, 290; OLG Hamburg StV 1989, 521; OLG Karlsruhe NStZ 1991, 505; OLG Düsseldorf StRaFO 1998, 341 f).
So verhält es sich hier. Wie die Urteilsgründe mitteilen, wurde der Angeklagte unter anderem vom .....im Jahr 2002 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Bei dieser Sachlage muss der Angeklagte, dem vorliegend eine am 30. März 2003 begangene Tat zur Last gelegt wird, befürchten, dass die Bewährungsstraf...