Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 09.02.2022, Az. 52 VI 2013/20, abgeändert:

Die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden als festgestellt erachtet.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, den beantragten Erbschein zu erteilen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der die Beteiligte zu 2, die Ehefrau des Erblassers, zu 1/2 und deren gemeinsame Kinder, die Beteiligten zu 1, 3 und 4 zu je 1/6 als Erben ausweist.

Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten am 04.03.2019 ein gemeinschaftliches gemeinsames Testament, das überschrieben ist mit

"Testament

Den 04.03.2019

Betr. Wohnhaus + Grundstück

...

Weiter heißt es:

"Hiermit verfügen wir, daß unser Wohnhaus + Grundstück obiger Anschrift nach dem Tod des längerlebenden Eigentümers übergehen soll als Erbe

1.) an unsere Tochter ...

2.) sowie an unseren Enkel ...

Für evtl. Ausgleich gegenüber Geschwistern von Marco soll unsere Tochter ... nach ihren Entscheidungen sorgen. Das Erbe geht in gleichen Teilen an o. genannte Personen und soll nach deren Vereinbarung grundbuchrechtlich eingetragen werden.

Es ist unser Wunsch, daß das Haus nicht verkauft wird und in der Familie verbleibt. Den Erben ist unsere Verfügung bekannt."

Das Vermögen des Erblassers und seiner Ehefrau bestand zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments neben Eigentum an dem Grundstück, das diese nach den Angaben der Ehefrau mit ca. 500.000 EUR bewertet haben, jedenfalls noch aus Sparvermögen in Höhe von insgesamt ca. 250.000 EUR.

Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Testament enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung für den ersten Todesfall der Eheleute. Im Wege der Auslegung ergebe sich aber, dass der wirkliche Wille der Erblasser dahin gegangen sei, sich gegenseitig als Alleinerben für den ersten Todesfall einzusetzen. Die Formulierung, dass das Wohnhaus nach dem Tode des länger lebenden Eigentümers an die Beteiligten zu 4 und 5 übergehen solle, bringe zum Ausdruck, dass diese sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hätten, als diese die Eigentümer des Wohnhauses nebst Grundstück gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Dass die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben hätten einsetzten wollen, sei in dem Testament nicht einmal angedeutet. Angesichts des Umstandes, dass neben dem Hausgrundstück noch erhebliches weiteres Vermögen vorhanden gewesen sei, sei auch nicht über den wesentlichen Teil des Vermögens verfügt worden, so dass nicht von einer Erbeinsetzung ausgegangen werden könne.

II. Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Testament lässt sich nicht entnehmen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, so dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Zwar ist zutreffend, dass dem Testament der Wunsch der Eheleute zu entnehmen ist, dass die im Testament genannten Personen nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten das Wohnhaus erhalten sollten.

Dies reicht aber nicht aus, um das Testament dahingehend auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten.

Hierzu findet sich im Testament keine Andeutung.

Das Testament vom 04.03.2019 enthält keine ausdrückliche Einsetzung der Ehefrau des Erblassers für den ersten Erbfall. Soweit der Beschwerdeführer meint, eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall ergebe sich durch Auslegung der Verfügung, folgt der Senat dem nicht.

Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH, ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26; MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 2084 Rdnr. 1; Burandt/Rojahn/Czubayko, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2084 Rdnr. 9). Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den Formzwecken allerdings nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig (BGH, NJW 1981, 1737; OLG München, FGPrax 2013, 72).

Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden (BGH, a.a.O., 1738; Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 9 Rdnr. 17 "Fehlende Alleinerbeneinsetzung").

Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn die Erblasser in ihrem gemeinschaftlichen Testament Schlusserben eingesetzt haben und die testierte Schlusserbeneinsetzung ohne die für den ersten Erbfall erfolgte Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten rechtlich aussch...

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