Leitsatz (amtlich)
Flugreisekosten des Prozessbevollmächtigten zum Termin sind nicht schlechthin unter dem Gesichtspunkt der Zeitersparnis erstattungsfähig, sondern nur dann, wenn die dadurch verursachten Mehrkosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten einer Bahnfahrt 1. Klasse stehen. Über die fiktiven Kosten einer Bahnanreise hinausgehende Mehrkosten, die durch die Buchung eines Fluges in der Business-Class gegenüber einem Tarif der Economy-Class entstanden sind, sind grundsätzlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig (im Anschluss an OLG Köln Rpfleger 2010, 549; OLG Frankfurt MDR 2008, 1005; OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 1422; OLG Stuttgart Rpfleger 2010, 548; OLG Hamburg AGS 2011, 463).
Bei der Prüfung der Angemessenheit der tatsächlich entstandenen Reisekosten sind allein die fiktiven Kosten bei einer Anreise mit der Bahn in der 1. Klasse maßgeblich. Bis zu dieser Höhe sind die dem Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten in jedem Fall zu erstatten, selbst wenn bei Buchung eines Tarifes der Economy-Class fiktive Kosten in geringerer Höhe entstanden wären.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 2; JVEG § 5 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Beschluss vom 20.02.2013; Aktenzeichen 3 O 72/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Neuruppin vom 20.2.2013 - 3 O 72/06, unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Schlussurteils des OLG Brandenburg vom 30.5.2012 sind vom Kläger an Kosten für die II. Instanz 7.278,40 EUR (in Worten: Siebentausendzweihundertachtundsiebzig und 40/100 EUR) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 4.7.2012 an die Beklagte zu erstatten.
Der dieser Kostenfestsetzung zugrunde liegende Titel ist rechtskräftig.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 % zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 1.075,86 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten in dem vorliegenden Kostenfestsetzungs- und Beschwerdeverfahren noüber die Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten zur Festsetzung angemeldeten Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten.
Die in H. ansässige Beklagte wurde in dem Berufungsverfahren vor dem OLG Brandenburg von ihren in München ansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten. In der Berufungsinstanz fanden insgesamt vier Termine zur mündlichen Verhandlung statt, zu denen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten jeweils mit dem Flugzeug von München nach Berlin-Tegel anreisten. Mit rechtskräftigem, am 30.5.2012 verkündetem Schlussurteil wurden dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte für die zweite Instanz Prozesskosten i.H.v. insgesamt 7.874,26 EUR netto zur Festsetzung angemeldet, darunter Reisekosten der Prozessbevollmächtigten zu den jeweiligen Verhandlungsterminen auf der Basis des Tarifs für die Business-Class der Deutschen Lufthansa, Fahrtkosten für die Fahrten zum Flughafen München, Taxi- bzw. Mietwagenkosten für die Fahrten vom Flughafen Berlin-Tegel nach Brandenburg und zurück sowie Parkgebühren und ein Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV-RVG.
Die Rechtspflegerin hat mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Kläger an die Beklagte für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 6.798,40 EUR nebst Zinsen festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, Flugreisekosten des Rechtsanwalts seien nur erstattungsfähig, soweit sie die Kosten einer Bahnreise in der 1. Wagenklasse nicht überstiegen. Die fiktiven Kosten einer Bahnfahrt 1. Klasse betrügen zzgl. Tages- und Abwesenheitsgeld für zwei Tage sowie Übernachtungskosten lediglich 630 EUR netto und lägen somit unter den begehrten Flug- und Taxikosten. Für die jeweiligen Terminstage seien daher nur Reisekosten i.H.v. jeweils 630 EUR in Ansatz zu bringen.
Gegen die teilweise Absetzung der von ihr angemeldeten Reisekosten wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, die Kürzung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von Flugreisekosten. Diese seien dann erstattungsfähig, wenn durch die Benutzung des Flugzeuges der Zeitaufwand erheblich verringert und dadurch andere sonst notwendig werdende Kosten erspart werden könnten. Dies sei vorliegend der Fall. Die einfache Fahrtdauer mit dem Pkw betrage mindestens 5 ½ Stunden. Unter Berücksichtigung eines entsprechenden Zeitpuffers für Staus betrage die Gesamtreisezeit 12 bis 13 Stunden, während die An- und Abreise mit dem Flugzeug 7 Stunden betrage, so dass eine Zeitersparnis von 5 bis 6 Stunden eingetreten sei. Der Rechtsanwalt müsse sich auch nicht auf einen Billigflug oder einen Flug in der Economy-Class verweisen lassen. Darüber hinaus habe das LG bei der Vergleichsberechnung hinsichtlich der fiktiven Kosten für eine Bahnf...