Verfahrensgang
AG Oranienburg (Entscheidung vom 27.08.2021; Aktenzeichen 13 g OWi 3421 Js-OWi 4451/21 (86/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 27. August 2021 wird zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 27. August 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Amtsgericht Oranienburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg verhängte am 18. Dezember 2020 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h ein Bußgeld in Höhe von 70,00 €. Nach der am 19. Dezember 2020 erfolgten Zustellung des Bußgeldbescheides legte der Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Dezember 2020 dagegen Einspruch ein.
Nach Eingang der Bußgeldakte beim Amtsgericht Oranienburg am 10. Februar 2021 beraumte die Bußgeldrichterin mit Verfügung vom 4. Juni 2021 Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Juli 2021, 13:00 Uhr, an, zu der der Betroffene und sein Verteidiger förmlich geladen wurden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 19. Juli 2021 zeigte der Betroffene unter Beifügung eines Patientenmerkblattes des Krankenhauses ... an, dass er sich am 22. Juli 2021 einer Operation unterziehe und "voraussichtlich bis einschließlich 03.08.2021 arbeitsunfähig" sei. Mit Verfügung vom 21. Juli 2021 hob die Bußgeldrichterin den Hauptverhandlungstermin am 23. Juli 2021 auf und beraumte neue Hauptverhandlung auf den 27. August 2021 an. Unter dem Datum des 25. August 2021 beantragte der Betroffenen durch seinen Verteidiger Terminverlegung und fügte eine Bescheinigung des Unfallchirurgen ... bei, die eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 5. September 2021 attestierte.
Am 26. August 2021, dem Verteidiger des Betroffenen per Telefax am selben Tag übermittelt, wies die Bußgeldrichterin im Beschlusswege den Terminverlegungsantrag mit der Begründung zurück, dass eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachgewiesen worden sei. Unter dem Datum des 27. August 2021, eingegangen per Telefax bei Gericht am selben Tag um 7:12 Uhr, lehnte der Betroffene die Bußgeldrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Mit Urteil vom 27. August 2021, dem Betroffenen förmlich zugestellt am 1. Oktober 2021, hat das Amtsgericht Oranienburg den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2020 wegen unentschuldigten Ausbleibens im Hauptverhandlungstermin verworfen. Zum Hauptverhandlungstermin waren weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen.
Zur Begründung führt das Tatgericht aus: "Die von dem Betroffenen angegebenen Gründe vermögen das Fernbleiben nicht zu entschuldigen, weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur eine Folgebescheinigung darstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Betroffenen eine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zumutbar ist. Das Gericht hat sich die Überzeugung verschafft, dass keine hinreichenden Entschuldigungsgründe vorliegen. Es handelt sich um eine ambulante Operation, die am 22.07.2021 stattgefunden hat. Weitere Anhaltspunkte liegen nicht vor."
Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene mit dem bei Gericht am 8. Oktober 2021 angebrachten Anwaltsschriftsatz die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Freisprechung des Betroffenen beantragt. Der Anwaltsschriftsatz vom 8. Oktober 2021 enthält bereits die Rechtsmittelbegründung.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 2. Dezember 2021 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und auf die Rechtsbeschwerde das Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2021 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Oranienburg zurückzuverweisen.
II.
Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, da das Amtsgericht Oranienburg das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen Versagung rechtlichen Gehörs zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Das Rechtsmittel hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg. Er führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Oranienburg.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig.
a) In Betracht kommt die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur wegen der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG), weil die Überprüfung der Anwendung materiell-rechtlicher Normen zur Fortbildung des Rechts ausgeschlossen ist, da ein Prozessurteil angegriffen wird.
b) Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs entspricht den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (allgemeine Auffassung, vgl. OLG Köln VRS 95, S. 383). Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss im Falle einer Verfahrensrüge, zu der auch die Rüge der Verletzung re...