Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bestellung eines Betreuers trotz bestehender Vorsorgevollmacht
Leitsatz (amtlich)
§ 1896 Abs. 2 BGB ist Ausdruck des das Betreuungsrecht beherrschenden Subsidiaritätsgrundsatzes. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ist nach Erteilung einer Vollmacht die Bestellung eines Betreuers nicht bereits dann möglich, wenn nach der Auffassung des Gerichts die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Betreuer vorzuziehen ist.
Der in der Vollmachtserteilung zum Ausdruck gekommene Wille des Betroffenen verlangt grundsätzliche Beachtung, solange die Ausübung der Vollmacht durch den Bevollmächtigten dem Wohl des Vollmachtgebers nicht zuwiderläuft und auch ergänzende Hilfen nicht möglich sind. Insoweit kann auf die zur Anwendung des § 1897 Abs. 4 BGB (Vorschlag des Volljährigen zur Betreuerbestellung) entwickelten Rechtsgrundsätze zurück gegriffen werden.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 27.12.2004; Aktenzeichen 5 T 455/04) |
AG Brandenburg (Aktenzeichen 18-XVII 4972) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Potsdam vom 27.12.2004 - 5 T 455/04 - wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist die Tochter der Betroffenen. Durch notarielle Vollmacht vom 11.1.1999 bevollmächtigte diese die Beschwerdeführerin zur Vermeidung einer Betreuung, sie auch nach dem Eintritt eines Zustandes der Geschäftsunfähigkeit sowohl in Vermögensangelegenheiten als auch in persönlichen Angelegenheiten umfassend zu vertreten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vollmacht (Bl. 55 ff. d.A.) verwiesen.
Die Betroffene ist nach einer Multiinfarkt-Demenz und einem Morbus Parkinson jedenfalls seit dem Jahre 2003 umfassend pflegebedürftig, geschäftsunfähig und nicht mehr in der Lage sich zu äußern.
Nach einem Bericht des Hausarztes der Betroffenen vom 17.3.2004 (Bl. 92 d.A.), hat das AG nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens zum Zustand und zur Betreuungsbedürftigkeit der Betroffen (Gutachten vom 12.5.2004, Bl. 297 d.A.) ungeachtet der Vollmacht eine Betreuung angeordnet und einen Berufsbetreuer bestellt.
Die gegen die Entscheidung des AG gerichtete Beschwerde der Tochter der Betroffenen hat das LG nach Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob die Beschwerdeführerin geeignet sei, ihre Mutter zu betreuen und zu pflegen (Gutachten vom 23.10.2004, Bl. 615 ff. d.A.) zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Tochter der Betroffenen mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie in der Sache erstrebt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung unter Aufhebung der Entscheidung des AG Brandenburg den Antrag auf Einrichtung einer Betreuung für ihre Mutter zurückzuweisen.
Sie macht geltend, entgegen den Feststellungen des LG in der angefochtenen Entscheidung sei sie selbst in der Lage, die Pflege ihrer Mutter sicherzustellen. Der bestellte Berufsbetreuer sei ungeeignet; jedenfalls mit entsprechender professioneller Hilfe könne sie die persönliche Pflege und Betreuung ihrer Mutter wieder ohne weiteres übernehmen.
II.1. Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 27, 29, 69g Abs. 1 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt.
2. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg.
Mit zutreffenden Gründen hat das LG die Beschwerde der Tochter der Betroffenen gegen die Entscheidung des AG, für die Betroffene einen Betreuer zu bestellen, zurückgewiesen.
a) Die Betroffene ist betreuungsbedürftig.
Sie ist aufgrund ihrer umfassenden Erkrankung nicht mehr in der Lage, auch nur noch irgendwelche ihrer Angelegenheiten selbst zu besorgen. Sie kann sich nicht mehr äußern und ist umfassend pflegebedürftig. Dies steht auf der Grundlage der eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten fest und wird auch von der Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen.
b) Die Einrichtung einer Betreuung und die Bestellung eines Betreuers ist auch erforderlich. Der Bestellung eines Betreuers steht die von der Betroffenen im Jahre 1999 der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht nicht entgegen.
Nach umfänglicher Sachaufklärung hat das LG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage ist, die Pflege und Betreuung ihrer Mutter sachgerecht sicherzustellen. Auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles können daher vorliegend die Belange der Betroffenen durch die von ihr Bevollmächtigte, die Beschwerdeführerin, nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB).
Nach der Bestimmung des § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in dem die Betreuung erforderlich ist. Nach der klaren gesetzlichen Regelung scheidet die Bestellung eines Betreuers aus, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Das Betreuungsrecht ist na...