Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehewohnungszuweisung: Möglichkeit des Lebens getrennter Ehegatten in einem Einfamilienhaus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufteilung einer Wohnung im Rahmen eines Verfahrens nach § 1361b BGB kann nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn die Wohnverhältnisse so großzügig bemessen sind, dass mit einem Zusammentreffen der zerstrittenen Ehepartner entweder nicht zu rechnen ist oder sich die Ehepartner wenigstens im Interesse der Kinder zu arrangieren bereit sind und ein Mindestmaß an gegenseitiger Rücksichtnahme walten lassen.

2. Die Eingriffsschwelle ist höher anzusetzen, wenn auch von dem die Zuweisung begehrenden Ehepartner Provokationen ausgegangen sind.

3. Ist festzustellen, dass die Lage eskaliert ist, die Atmosphäre von schwerem Mißtrauen bzw. nahezu Hass geprägt ist, die Parteien sich faktisch nur noch belauern und erheblicher Vergehen verdächtigen, ist ein erträgliches Nebeneinander nicht mehr möglich.

4. Sind Kinder von einer Wohnungszuweisung betroffen, habe ihre Belange grundsätzlich Priorität bei der Billigkeitsabwägung.

 

Normenkette

BGB § 1361b

 

Verfahrensgang

AG Oranienburg (Beschluss vom 29.10.2009; Aktenzeichen 34 F 164/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Oranienburg vom 29.10.2009 - Az. 34 F 164/09 - abgeändert und - im Wege der einstweiligen Anordnung - wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück in S ...,... eck 9, zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

Dem Antragsgegner wird verboten, das Grundstück zu betreten.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, sämtliche in seinem Besitz befindliche Schlüssel für die auf dem Grundstück aufstehenden Gebäude an die Antragstellerin herauszugeben.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Eine Erstattung außergerichtlich entstandener Kosten findet nicht statt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.500 EUR.

 

Gründe

I. Das AG Oranienburg hat mit Beschluss vom 29.10.2009 die auf Zuweisung der Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zusammen mit der Tochter der Parteien, ein Betretungsverbot für den Antragsgegner und dessen Verpflichtung zur Herausgabe sämtlicher Schlüssel gerichteten Anträge der Antragstellerin vom 1.9.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen darauf abgestellt worden, dass es der Antragstellerin nicht gelungen sei, das von ihr behaupteten Fehlverhalten des Antragsgegners glaubhaft zu machen. Der - unstreitigen - Verbringung einzelner Gegenstände aus der Ehewohnung durch den Antragsgegner fehle jedenfalls das erforderliche Gewicht, so dass daraus eine unbillige Härte nicht abgeleitet werden könne.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 3.11.2009 beim AG Oranienburg eingegangenen Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter verfolgt. Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Senat hat das - in erster Instanz fernmündlich beteiligte - Jugendamt des Landkreises ... unter Übersendung der angefochtenen Entscheidung und der Beschwerdeschrift über den Verfahrensgegenstand unterrichtet und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 205 FamFG). Das Jugendamt hat daraufhin die Verfahrensbeteiligung beantragt (§ 204 Abs. 2 FamFG), sich inhaltlich jedoch nicht weiter geäußert.

II.1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 57 Satz 2 Nr. 5 FamFG statthaft. Das Rechtsmittel ist formgerecht i.S.v. § 64 FamFG und jedenfalls innerhalb der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG eingereicht worden, so dass es insgesamt zulässig ist. Auf die mit der Beschwerdebegründung beanstandeten formalen Fehler im Zuge der erstinstanzlichen Entscheidung kommt es danach gar nicht an.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die begehrte Wohnungszuweisung nach § 1361b Abs. 1 BGB liegen vor.

Die Parteien leben nach Angaben der Antragstellerin seit dem 11.3.2009, unstreitig spätestens seit dem 1.5.2009 voneinander getrennt. Die Ereignisse der letzten Monate haben gezeigt, dass ein Getrenntleben der Parteien im gemeinsamen Haus zusammen mit der jetzt 10-jährigen gemeinsamen Tochter C ... D... - nicht nur, aber auch aus Gründen des Kindeswohls - tatsächlich nicht mehr zu verantworten ist.

a) Die Antragsgegnerin muss sich an dem Vergleich, der in dem vorangegangenen Gewaltschutzverfahren der Parteien, Az. 34 F 51/09 des AG Oranienburg, am 25.6.2009 abgeschlossen worden ist und die Aufteilung der Ehewohnung im Wesentlichen dergestalt vorsah, dass die Antragstellerin den oberen Bereich des Einfamilienhauses und der Antragsgegner den unteren Teil des Hauses mit Ausnahme der Küche - die neben Garten und Terrasse gemeinschaftlich genutzt werden sollte - unter Ausschluss des jeweils anderen zu nutzen berechtigt war, nicht mehr festhal...

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