Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 03.06.2011; Aktenzeichen 21 KLs 7/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 3. Juni 2011 wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Gründe
I. Das Landgericht Frankfurt/Oder sprach den Angeklagten am 28. Januar 2011 des Diebstahls schuldig und verwarnte ihn deshalb. Im Übrigen sprach es den Angeklagten frei. Die Kostenentscheidung des Urteils lautet wie folgt:
"Es wird davon abgesehen den Angeklagten die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen aufzuerlegen."
Unter dem 31. Januar 2011 beantragte der Verteidiger des Angeklagten, ihm die Pflichtverteidigergebühren zu erstatten. Diesen Antrag hat er mit Schriftsatz vom 22. Februar 2011 zurückgenommen, weil "offensichtlich kein Pflichtverteidigerbeschluss ergangen" sei. Gleichzeitig beantragte er, ihm seine Gebühren und Auslagen als notwendige Auslagen des Angeklagten zu erstatten.
Den Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Februar 2011 hat das Landgericht Frankfurt/Oder mit Beschluss vom 3. Juni 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Urteil vom 28. Januar 2011 keine ausdrückliche Entscheidung darüber getroffen habe, wer die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen habe.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der über seinen Verteidiger eingelegten "Erinnerung".
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
II. Das als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde statthaft und zulässig (§§ 464 b Satz 3, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Es ist jedoch unbegründet.
1. Zu Recht ist das Landgericht der Ansicht, dass in dem Urteil vom 28. Januar 2011 keine Entscheidung darüber getroffen ist, wer die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, auch nicht insoweit, als der Angeklagte freigesprochen wurde.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen der Angeklagten hat das Landgericht in dem Urteil vom 28. Januar 2011 zwar davon abgesehen, diese den Angeklagten aufzuerlegen, wie es weitgehend dem Wortlaut des § 74 JGG entspricht, den das Landgericht insoweit angewandt hat. Diese Entscheidung beinhaltet indes nicht die Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse. Hierfür fehlte es auch an einer rechtlichen Grundlage, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Es gibt in der Strafprozessordnung keine Vorschrift, die es im Falle einer Verurteilung, abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden § 465 Abs. 2 StPO, erlaubte, den Angeklagten von der Tragung seiner notwendigen Auslagen zu befreien. Der Angeklagte hat somit in diesem Falle seine notwendigen Auslagen ohne Rücksicht darauf zu tragen, ob sie ihm ausdrücklich auferlegt werden oder nicht. Weil es keine gesetzliche Vorschrift gibt, nach der dem verurteilten Angeklagten dessen notwendige Auslagen aufzuerlegen sind, kann davon auch nicht abgesehen werden (BGH NStZ 1989, 239). Aus der Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes folgt nichts anderes.
Gemäß § 2 JGG gelten die allgemeinen Vorschriften im jugendgerichtlichen Verfahren, soweit das Jugendgerichtsgesetz (JGG) nichts anderes bestimmt. Nach § 465 Abs. 1 StPO trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens, soweit sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt wird. Dieser Grundsatz erfährt durch § 74 JGG eine Ausnahme, indem danach im Verfahren gegen einen Jugendlichen (oder einen Heranwachsenden unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 JGG) zwar davon abgesehen werden kann, ihm die Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
Darüber hinaus bietet § 74 JGG im Falle der Verurteilung aber keine Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten (BGH aaO.; NStZ 2006, 503; KG JR 1983, 37; OLG Düsseldorf MDR 1991, 561; OLG Frankfurt GA 1994, 286 unter Aufgabe der bis dahin entgegenstehenden Rechtsprechung). Der Begriff der Auslagen in § 74 JGG bezieht sich allein auf die Auslagen Dritter (vgl. Schatz in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 6. Aufl., § 74 Rn. 25). Die Auslagen der Staatskasse gehören zu den Kosten des Verfahrens (§ 464 a Abs. 1 Satz 1 StPO). Nur sie und die Auslagen Dritter sind von § 74 JGG umfasst.
Soweit vor allem in der Literatur die gegenteilige Ansicht vertreten wird, vermag dies nicht zu überzeugen. Gestützt etwa auf Gründe der erzieherischen Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen Jugendlicher (vgl. Eisenberg, JGG, 14. Aufl., § 74 Rn. 15 a) und den Präventionszweck des JGG (vgl. Ostendorf, JGG, 8. Aufl., § 74 Rn. 6) ist diese Ansicht mit dem Wortlaut des § 74 JGG nicht zu vereinbaren und überschreitet damit die Grenzen zulässiger Auslegung (BGH NStZ 1989, 239; vgl. auch Schatz aaO., Rn. 20).
2. Da das Landgericht damit in seinem Urteil nicht bestimmt hat, wer die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, verbleiben sie bei ihm, und zwar über den durch die Verurteilung berechtigten Umfang hinaus auch insoweit, als er freigesproc...