Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Betreuungs- und Aufstockungsunterhalts wegen kurzer Ehedauer und offensichtlich schwerwiegenden Fehlverhaltens
Leitsatz (redaktionell)
1. Verwirklicht die unterhaltsbedürftige Ehefrau gleich mehrere Verwirkungstatbestände, so kann ihr Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auch dann vollständig ausgeschlossen sein, wenn sie ein gemeinsames, erst zwei Jahre altes Kind betreut.
2. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr Fehlverhalten gerade darin liegt, den Umgang zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Kind zu vereiteln.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1573 Abs. 2, § 1579 Nrn. 1, 7
Verfahrensgang
AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 29.04.2009; Aktenzeichen 21 F 164/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 29.4.2009 - Az.: 21 F 164/07 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Auf das Beschwerdeverfahren ist das bis zum 31.8.2009 geltende Recht anzuwenden, weil der Antrag auf Prozesskostenhilfe am 10.10.2007, mithin vor dem Stichtag, beim AG eingegangen ist und damit das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren eingeleitet worden ist, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Etwaige Ansprüche gegen den Antragsgegner auf Zahlung nachehelichen Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalts (§ 1570 BGB bzw. 1573 Abs. 2 BGB) bestehen jedenfalls wegen Verwirkung nicht mehr.
Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin zur Höhe eines ihr etwa zustehenden Unterhaltsanspruchs ausreichend vorgetragen hat. Insoweit bestehen Bedenken hinsichtlich der Angaben zu ihrem eigenen Einkommen sowie zum Einkommen des Antragsgegners. Hinsichtlich ihrer eigenen Erwerbsunfähigkeitsrente hat die Antragstellerin lediglich einen Bescheid vorgelegt, der den Rentenzahlbetrag ab 1.7.2005 ausweist. Der Prozesskostenhilfe-Antrag datiert vom 10.10.2007, so dass davon auszugehen ist, dass zwischenzeitlich Rentenanpassungen eingetreten sind. Hinsichtlich des Einkommens des Antragsgegners verweist die Antragstellerin selbst darauf, ihr lägen diesbezüglich keine ausreichenden Unterlagen vor. Als Antragstellerin ist sie jedoch in vollem Umfang für die Höhe eines etwaigen Anspruchs darlegungs- und beweisbelastet. Sie kann sich nicht darauf zurückziehen, darauf zu verweisen, ihr stünde ein Auskunftsanspruch zu. Notfalls muss im Wege der Stufenklage zunächst hinreichende Auskunft verlangt werden.
Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da das AG zutreffend von einer Verwirkung aller etwaigen Ansprüche ausgegangen ist.
Hinsichtlich von Unterhaltsansprüchen für die Zeit von April bis August 2006 ergibt sich die Verwirkung bereits aus allgemeinen Gesichtspunkten (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf eingerichtet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BGHZ 105, 290; BGH NJW 2008, 2254). Die Einwendung der Verwirkung hat der Antragsgegner erhoben. Er bezieht sich auf den Ablauf des Zeit- und Umstandsmoments. Lässt ein Unterhaltsgläubiger nach dem Unterhaltsbegehren längere Zeit verstreichen, ohne dass es zu einer erneuten Zahlungsaufforderung oder Klage gekommen ist, und kann sich der Unterhaltsverpflichtete hierauf einrichten, so ist der Unterhaltsanspruch verwirkt. Nach dem Rechtsgedanken der §§ 1585b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist regelmäßig das Zeitmoment für Rückstände, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder dem erneuten Tätigwerden liegen, erfüllt (BGH FamRZ 1988, 370; 2004, 531; 2007, 453). Zum anderen muss sich aus dem Verhalten des Bedürftigen ergeben, dass er auf seiner Unterhaltsforderung nicht mehr besteht. Das ist der Fall, wenn er sich trotz fehlender Reaktion des in Anspruch Genommenen nicht mehr bei diesem meldet und auf Zahlung besteht. Erfasst wird hinsichtlich der Verwirkung jedoch nur derjenige Rückstand, der vom Zeitmoment umfasst wird, d.h., die mehr als ein Jahr vor erneutem Tätigwerden zurückliegenden Ansprüche (Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 6 Rz. 135 ff.).
Hier hat die Antragstellerin vorgetragen, den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.4.2006 zur Auskunft aufgefordert zu haben. Ein erneutes Schreiben ist sodann erst am 17.8.2007 erfolgt, mithin über ein Jahr später. Der Prozesskostenhilfeantrag ist in der Folge nach wenigen Monaten eingereicht worden. Da der Unterhaltsanspruch von Anfang an streitig war, durfte sich der Antragsgegner bis zum Erhalt des Schreibens vom 17.8.2007 darauf einrichten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Damit sind die bei dem Schreiben vom 17.8.2007 seit mehr als einem Jahr fälligen Unterhaltsbeträge jedenfalls verwirkt, mithin diejenigen bis zum August 20...