Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist - anwaltliche Gegenkontrolle zu Fristennotierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Delegiert ein Anwalt die Ermittlung von Fristenden und deren Notierung im Fristenkalender, obliegen ihm eine Gegenkontrolle und die hierzu erforderlichen Vorkehrungen, insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen zuvor in den Fristenkalender eingetragen worden sind (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 - II ZB 14/17, juris Rn. 10; Beschluss vom 19. September 2017 - VI ZB 40/16, MDR 2017, 1380 Rn. 8; Beschluss vom 29. Juni 2017 - III ZB 95/16, juris Rn. 7; Beschluss vom 15. April 2014 - II ZB 11/13, NJOZ 2014, 1339 Rn. 9).

2. Werden dem Anwalt die Handakten zur Bearbeitung wegen einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt, so hat er zur Gegenkontrolle seiner Anweisungen die Notierung der Fristen im Fristenkalender zumindest anhand von Erledigungsvermerken in der Handakte zu prüfen.

3. Auch wenn ein Rechtsanwalt seine Angestellte im Wege einer Einzelanweisung angehalten hat, eine näher bestimmte Beschwerdebegründungsfrist zu notieren, so enthebt ihn dies nicht der Pflicht, im Rahmen der Vorbereitung einer Prozesshandlung, wie etwa der Einlegung der Beschwerde, die Richtigkeit der Notierung der Beschwerdebegründungsfrist eigenverantwortlich zu überprüfen (vgl. BGH NJW 2014, 2352).

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 69/17)

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Begründung seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 22.05.2018 - 20 F 69/17 - wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 22.05.2018 - 20 F 69/17 - wird als unzulässig verworfen.

III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 5.000,00 EUR

 

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollstreckbarkeit einer Jugendamtsurkunde über Kindesunterhalt zu Gunsten seines Sohnes, des Antragsgegners.

Aufgrund der 2003 errichteten Urkunde betreibt dieser die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller im Umfang von 4.858,83 EUR, (vgl. 15), mit einer verzinslichen Hauptforderung von 4.164,22 EUR wegen Unterhaltsrückständen aus den Jahren 2003 bis 2009 (vgl. 19, 21).

Der Antragsteller hat gemeint, die vollstreckbaren Forderungen bestünden allenfalls in Höhe eines am 19.06.2013 bezifferten Betrags von 4.445,18 EUR und hat die Ansprüche im Übrigen für verwirkt erachtet, im Wesentlichen mit der Begründung, der Antragsgegner habe Teilzahlungen in den rückstandsbetroffenen Zeiträumen hingenommen und sei, abgesehen von der Erwirkung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 14.09.2006 und am 17.09.2012 sowie einer Ratenzahlungsaufforderung vom 19.06.2013 bis November 2017, passiv geblieben, sodass er, der Antragsteller, Kreditverpflichtungen eingegangen sei.

Er hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung des Antragsgegners aus der Urkunde des Landkreises Havelland vom 24.04.2003 zum Aktenzeichen N .../2003 durch den Gerichtsvollzieher Buck zum Geschäftszeichen: DR II 1168/17 für unzulässig zu erklären.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen des Antragstellers entgegengetreten und hat geltend gemacht, wegen Erfolglosigkeit der letzten Vollstreckungshandlung die Verbesserung der Vermögenslage des Antragstellers abgewartet zu haben.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (113 ff.), hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers abgewiesen. Eine Verwirkung der Ansprüche des Antragsgegners scheitere am Fehlen des Umstandsmomentes. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs könne beim Schuldner kein berechtigtes Vertrauen auf einen Sinneswandel des Gläubigers auslösen.

Der Antragsteller hat gegen den am 22.05.2018 erlassenen, ihm ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 31.05.2018 (120a, 126) zugestellten Beschluss am 25.06.2018 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt (126). Mit gerichtlicher Verfügung vom 06.08.2018 (133) wurde er auf das Fehlen einer Beschwerdebegründung hingewiesen und darauf, dass seine Beschwerde gemäß §§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen sei. Auf den ihm am 08.08.2018 zugestellten Hinweis (134) hat er mit Schriftsatz vom 09.08.2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerde begründet.

Zur Wiedereinsetzung macht der Antragsteller geltend, sein Verfahrensbevollmächtigter habe am 31.05.2018 auf dem Übersendungsschreiben des Gerichts verfügt, dass eine Beschwerdefrist von einem Monat und eine Beschwerdebegründungsfrist von 2 Monaten zu notieren seien. Dessen Mitarbeiterin habe versehentlich versäumt, die Beschwerdebegrün...

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