Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Bieter sich seit über 20 Jahren immer wieder um die Vergabe von Leistungen der Kampfmittelberäumung beworben, kennt er die im Vertragsgebiet örtlich vorhandene radioaktive Belastung des Erdbodens und die Erforderlichkeit der Kontaktierung der Strahlenschutzbehörde vor Beginn von Kampfmittelberäumungsarbeiten. Verlangt der Auftraggeber in der Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen von den Bietern für einen solchen Auftrag keine Zulassung nach der Strahlenschutzverordnung, ist ein darin etwa liegender Vergaberechtsverstoß für einen solchermaßen erfahrenen Bieter erkennbar und muss spätestens bis zum Ablauf der Angebots- oder Bewerbungsfrist gerügt werden.

2. Das Verbot, auf Angebote den Zuschlag zu erteilen, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, hat dann bieterschützende Wirkung, wenn es für den Auftraggeber geboten ist, Angebote wegen wettbewerbsbeschränkenden und unlauteren Verhaltensweisen auszuschließen.

3. Beabsichtigt der Auftraggeber ausweislich der Bekanntmachung den Abschluss eines Rahmenvertrages mit einer bestimmten Anzahl von Unternehmen, ist er gehindert, im Vergleichswege eine darüber hinaus gehende Anzahl von Bietern bei der Vergabe zu berücksichtigen.

 

Normenkette

GWB § 107 Abs. 3; VOL/A § 16 Abs. 6

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Beschluss vom 26.11.2012; Aktenzeichen VK 37/12)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin vom 10.12.2012, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 26.11.2012 (VK 37/12) bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Einsicht in die Vergabeakten des Auftraggebers wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen zwei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde aufrechterhalten bleiben soll.

 

Gründe

I. Der nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zulässige Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde ist unbegründet, weil die sofortige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat und deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nicht besteht, § 118 Abs. 2 Satz 3 GWB.

1) Die gem. §§ 116, 117 GWB statthafte, sowie frist- und formgerecht erhobene sofortige Beschwerde ist zulässig.

2) In der Sache wird das Rechtsmittel aber ohne Erfolg bleiben. Denn die Vergabekammer hat zu Recht erkannt, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit nahezu allen gegen das Vergabeverfahren erhobenen Beanstandungen unzulässig ist. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet.

2.1) Alle bis auf eine Beanstandung der Antragstellerin gegen das Vergaberecht sind bereits deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin es versäumt hat, gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3 GWB rechtzeitig konkret die Verstöße gegen das Vergaberecht gegenüber dem Aufraggeber zu rügen.

Das Vergaberecht ist vom Grundsatz der größtmöglichen Beschleunigung geprägt. Denn durch die Möglichkeit der Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens soll der Auftraggeber nicht daran gehindert werden, innerhalb angemessener Zeit Aufträge zu erteilen. Deshalb soll die Vergabekammer grundsätzlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen entscheiden, § 113 Abs. 1 GWB. Die Frist zur Einlegung und Begründung der sofortigen Beschwerde zum OLG beträgt nur zwei Wochen, § 117 Abs. 1 GWB. Zwei Wochen nach Ablauf der sofortigen Beschwerde endet die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde, § 118 Abs. 1 Satz 2 GWB. Gegen die Entscheidungen der Vergabesenate der OLG gibt es kein Rechtsmittel, die gerichtliche Nachprüfung beschränkt sich damit auf eine Instanz.

Das Gesetz ordnet - dem Beschleunigungsgrundsatz schon vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens Rechnung tragend - in § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB an, erkannte und erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht zügig zu rügen, anderenfalls ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist. So hat der Antragsteller nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB einen von ihm im Vergabeverfahren erkannten Vergaberechtsverstoß unverzüglich zu rügen. Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, müssen gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der Angebots- oder Bewerbungsfrist gerügt werden.

Wesentlicher Zweck der Vorschrift ist es, dass der Auftraggeber durch eine Rüge die Möglichkeit erhält, etwaige Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren. Es soll verhindert werden, dass am Vergabeverfahren beteiligte Bieter erkannte oder erkennbare Verstöße gegen das Vergaberecht sammeln und so lange mit einer Beanstandung warten, bis klar ist, dass ihre Spekulation, den Zuschlag zu erhalten, nicht aufgegangen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 10.1.2012 - Verg W 18/11, zitiert nach juris. de).

Um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, den beanstandeten Fehler zu erkennen und zu ko...

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