Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des beigeordneten Nebenklägerbeistands. Anwendbares Recht
Leitsatz (amtlich)
›Die Vergütung des Beistands für den Nebenkläger nach § 397a Abs. 1 StPO bemisst sich nach dem neuen Gebührenrecht des RVG, wenn der Rechtsanwalt nach dem 1.7.2004 bestellt wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt schon vor dem Stichtag ein Wahlmandat innehatte. Eine Anordnung der Rückwirkung der Bestellung auf ein Datum vor dem Stichtag ist unbeachtlich.‹
Verfahrensgang
LG Cottbus (Entscheidung vom 21.02.2005; Aktenzeichen 24 KLs 2/04) |
StA Frankfurt/Oder (Aktenzeichen 220 Js 40087/02) |
Gründe
I.
In dem erstinstanzlich beim Landgericht anhängigen Strafverfahren wurde den Angeklagten unter anderem ein Verbrechen des schweren Menschenhandels nach § 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil der Nebenklägerin zur Last gelegt. Die Beschwerdeführerin meldete sich mit Schriftsatz vom 2. April 2004, dem eine Vollmacht vom 3. Dezember 2003 beigefügt war, und beantragte, sie der Nebenklägerin gemäß §§ 397a Abs. 1 S. 1, 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO als Beistand zu bestellen. Mit Beschluss vom 18. August 2004 bestellte das Landgericht die Beschwerdeführerin "seit dem 16.4.04". Am 15. Oktober 2004 wurden die Angeklagten rechtskräftig zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt; darüber hinaus wurden ihnen die der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr unter Abrechnung geleisteter Vorschüsse noch 885,08 EUR an Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse zu erstatten. Die Beschwerdeführerin rechnete dabei nach den Vorschriften des RVG ab. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte unter dem 10. Dezember 2004 die Höhe der Vergütung der Beschwerdeführerin auf 454,72 EUR fest, wobei sie diese nach den Vorschriften der BRAGO berechnete. Das alte Gebührenrecht gelte, weil die Rechtsanwältin im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden sei; dabei komme es auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an. Die Vollmacht der Beschwerdeführerin sei am 3. Dezember 2003 erteilt worden.
Die dagegen eingelegte Erinnerung der Beschwerdeführerin hat der Vorsitzende der Strafkammer mit Beschluss vom 21. Februar 2005 als unbegründet verworfen. Nach § 61 Abs. 1 S. 1 RVG seien die Bestimmungen der BRAGO zwar nur anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt vor dem 1. Juli 2004 gerichtlich bestellt worden ist. Für die Bestimmung dieses Zeitpunktes komme es im Grundsatz auf den Zugang der gerichtlichen Bestellung bei dem bestellten Rechtsanwalt an. Dieser Zeitpunkt läge hier nach dem Inkrafttreten des RVG. Indes sei die Bestellung der Erinnerungsführerin in dem Kammerbeschluss vom 18. August 2004 rückwirkend zum 16. April 2004 angeordnet worden. Damit sei für das Festsetzungsverfahren nach § 98 Abs. 1 BRAGO bindend vorgegeben, dass die Wirkungen der Beiordnung der Erinnerungsführerin als vor dem Inkrafttreten des RVG eingetreten anzusehen seien. Ob die angeordnete Rückwirkung der Bestellung zu Recht erfolgt sei, sei im Festsetzungsverfahren nicht zu prüfen.
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin. Der Einzelrichter hat durch Beschluss vom heutigen Tage das Verfahren nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 RVG dem Senat übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
II.
Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG als Beschwerde statthaft und zulässig; es ist auch in der Sache begründet.
Sowohl auf das Beschwerdeverfahren selbst, als auch auf die Berechnung der Vergütung der Beschwerdeführerin finden die Vorschriften des RVG Anwendung, weil die Bestellung der Beschwerdeführerin als Beistand der Nebenklägerin nach § 397a Abs. 1 S. 1 StPO nach dem 1. Juli 2004 erfolgt ist.
Nach § 61 Abs. 1 S. 1 RVG sind die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und Verweisungen hierauf weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Die Vorschrift enthält damit grundsätzlich zwei alternative Tatbestände - Auftragserteilung vor dem 1. Juli 2004 oder die gerichtliche Bestellung oder Beiordnung vor diesem Zeitpunkt -, die zur Anwendung des alten Gebührenrechts führen, wenn nur einer von beiden erfüllt ist. Danach ist hier zunächst daran zu denken, auf die Vergütung der Beschwerdeführerin das alte Gebührenrecht anzuwenden, weil ihr der Auftrag zur Vertretung der Nebenklägerin bereits durch Vollmacht vom 3. Dezember 2003 erteilt wurde.
Noch zu § 134 BRAGO, der § 60 RVG wörtlich und § 61 RVG im inhaltlichen Kern entspricht, hat sich jedoch eine Rechtsprechung entwickelt, die eine Ausnahme vorsieht: Der Rechtsanwalt, der erst nach Inkrafttreten einer Änderung des Gebührenrechts zum Pflichtverteidiger bestellt wird, soll seine Vergütung als Pflichtverteidiger auch dann nach neuem Recht erhalten, wenn er schon vor Inkrafttreten der Gesetze...