Verfahrensgang
AG Cottbus (Entscheidung vom 29.07.2021; Aktenzeichen 66 OWi 1311 Js-OWi 16306/21 (368/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 29. Juli 2021 wird als unbegründet verworfen.
Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Cottbus hat gegen die Betroffene durch Urteil vom 29. Juli 2021 wegen vorsätzlicher Missachtung des Rotlichtes an einer Lichtzeichenanlage, obwohl die Rotphase bereits länger als eine Sekunde gedauert hat, eine Geldbuße von 400 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr die Betroffene mit einem PKW die Linksabbiegerspur der T...straße in ... in Richtung Süden an der Kreuzung S... Straße und passierte, nachdem sie dort bei Rot zunächst angehalten hatte, die Haltelinie des Kreuzungsbereiches, als die Rotphase für die linke Fahrspur bereits 80,8 Sekunden andauerte: Sie überquerte anschließend die Kreuzung geradeaus in Richtung Tankstelle/L... Straße. Dabei hatte sie erkannt, dass sie sich auf der Linksabbiegerspur befand und das für diese Spur geltende Lichtsignal bereits länger als eine Sekunde Rot anzeigte. Sie habe gemäß ihrer Einlassung noch tanken wollen und sich deshalb dazu entschieden, aus der Linksabbiegerspur geradeaus weiterzufahren. Zuvor habe sie sich vergewissert, dass sich niemand von hinten genähert habe. Das Amtsgericht hat unterstellt, dass für die beiden Geradeausspuren an der Kreuzung zu diesem Zeitpunkt Grün angezeigt wurde.
Die Betroffene hat gegen dieses Urteil durch ihren Verteidiger Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die aufgrund der Sachrüge veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keine materiell-rechtlichen Fehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben.
1. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei einen vorsätzlich begangenen Rotlichtverstoß bejaht (§ 37 Abs. 2, § 49 Abs. 3 StVO).
Dass die Betroffene nach dem Überqueren der Haltelinie der Linksabbiegerspur bei Rot auf eine der Geradeausspuren wechselte und die Kreuzung dann geradeaus verlassen hat, steht der Annahme eines Rotlichtverstoßes nicht entgegen. Ein Fahrzeugführer, der auf einem markierten (Linksabbieger-)Fahrstreifen im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO in eine Kreuzung einfährt, obwohl die Wechsellichtzeichenanlage (pfeilförmiges oder volles) Rot zeigt, handelt auch dann ordnungswidrig gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 37 Abs. 2 StVO, wenn er anschließend in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weiterfährt (BGH, Beschl. v. 30. Oktober 1997 - 4 StR 647/96, zit. nach Juris).
Die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung hat das Amtsgericht ohne Rechtsfehler darauf gestützt, dass die Betroffene gemäß ihrer Einlassung nach dem Anhalten bei Rot entschieden habe, aus der Linksabbiegerspur geradeaus über die Kreuzung zu fahren, und damit in Kenntnis des bereits länger andauernden Rotlichts die Haltelinie überquert hat. Dabei hat sie ersichtlich auch den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des für die von ihr genutzte Spur angezeigten Haltesignals im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfasst, wobei es insoweit auf eine rechtlich zutreffende Subsumtion entsprechend der geltenden Verkehrsregelung nicht ankommt (vgl. hierzu Karlsruher Kommentar-OWiG/Rengier, 5. Aufl. § 11 Rn. 15). Ein etwaiger, auf mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhender Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum über die genaue rechtliche Bedeutung und Tragweite des geltenden Lichtsignals, wie ihn die Verteidigung geltend macht, stellt einen den Tatvorsatz nicht ausschließenden Verbotsirrtum dar (§ 11 Abs. 2 OWiG), der angesichts der Verpflichtung, sich vor Fahrtantritt über Verkehrsregelungen hinreichend zu informieren, darüber hinaus auch vermeidbar war (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschl. v. 1. Dezember 2015 - 3 Ss OW 834/15; Beschl. v. 22. Januar 2019 - 3 Ss OWi 1698/18; jeweils zit. nach Juris).
2. Das Amtsgericht hat darüber hinaus bei der Bemessung der Rechtsfolgen mit Recht eine vorsätzliche Tatbegehung im qualifizierten Fall zugrunde gelegt (132.3 Anl. zu § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 4a BKatV), weil die Rotphase bereits 80,8 Sekunden und damit deutlich länger als eine Sekunde andauerte, was der Betroffenen im Zeitpunkt der Tatbegehung auch bekannt war.
Dass der Querverkehr nach den Feststellungen - gemäß denen die Ampel für die Geradeausspuren Grün anzeigte - Rot hatte, schließt den Qualifikationstatbestand nicht aus. Der Anwendungsbereich der gemäß § 37 StVO geltenden Bestimmungen beschränkt sich nicht auf den Schutz des Querverkehrs und erfordert nicht das Entstehen einer konkreten Gefährdungslage (vgl. Senat, Beschl. v. 20. August 2021 - 2 OLG 53 Ss-OWi 175/21; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. März 2018 - 1 OWi 2 SsBs 107/18, zit. nach ...