Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Keine Verpflichtung der getrennt lebenden Ehefrau zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nach langer Ehedauer nach Ablauf des Trennungsjahres. eigenes Haus umgebende Grundstücksfläche kein gesonderter Wert bei Bemessung von Wohnwertvorteil
Leitsatz (amtlich)
1. Im Prozesskostenhilfeverfahren kann zugunsten der Unterhalt begehrenden Ehefrauangenommen werden, dass angesichts einer Ehedauer von mehr als 19 Jahren eine Verpflichtung zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht bereits nach Ablauf des ersten Jahres nach der Trennung besteht.
2. Bei der Bemessung eines Wohnvorteils für das mietfreie Wohnen im eigenen Hause ist, wenn es um ein Hausgrundstück geht, kein gesonderter Wert für die das Haus umgebende Grundstücksfläche auszuweisen. Vielmehr spielt der Umstand, dass es sich um ein Eigenheim mit Garten handelt, nur bei der Frage, von welchem Mietzins je m2 auszugehen ist, eine Rolle.
Normenkette
BGB § 1361
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 01.06.2005; Aktenzeichen 2 F 370/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe über den durch den angefochtenen Beschluss bewilligten Umfang hinaus nicht gewährt werden. Insoweit bietet ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
Allerdings ist der Klägerin entgegen der Auffassung des AG bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 254) nicht durchgängig ein Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit von 1.500 EUR fiktiv zuzurechnen. Gemäß § 1361 Abs. 2 BGB kann im Rahmen des Trennungsunterhalts der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insb. wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Während den im Zeitpunkt der Trennung längere Zeit nicht erwerbstätig gewesenen Ehegatten im ersten Trennungsjahr in der Regel keine Erwerbsobliegenheit trifft, nähern sich deren Voraussetzungen mit zunehmender Verfestigung der Trennung, insb., wenn die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit ist, immer mehr den Maßstäben, die nach den §§ 1569 ff. BGB für den nachehelichen Unterhalt gelten. Der zeitliche Beginn einer Erwerbsobliegenheit ist indessen nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (BGH v. 29.11.2000 - XII ZR 212/98, BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 510 = FamRZ 2001, 350 [351]). Für die Ausweitung einer Teilzeitarbeit nach Trennung gelten ähnliche Maßstäbe (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 392 f.). Die Pflicht, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit zeitlich auszudehnen, kann insb. bei einer langen Ehedauer auch erst für einen späteren Zeitpunkt als nach Vollendung des ersten Trennungsjahres gegeben sein. Nach der von der Klägerin mit der Beschwerdeschrift angeführten Entscheidung des OLG München (OLG München v. 17.2.2000 - 12 WF 622/00, FamRZ 2002, 462) ist bei einer 20-jährigen Ehe, aus der ein Kind hervorgegangen ist, für die (dort 53-jährige) Frau frühestens nach Ablauf von zwei Jahren nach der Trennung eine Verpflichtung zur Ausweitung der bisherigen Berufstätigkeit gegeben. Mit Rücksicht darauf kann zumindest im Prozesskostenhilfeverfahren zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass angesichts des Umstands, dass, schon wenn man auf den Zeitpunkt der Einreichung der Scheidungsantragsschrift abstellt, die Ehe mehr als 19 Jahre angedauert hat, eine Verpflichtung zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht bereits nach Ablauf des ersten Jahres nach der Trennung am 30.12.2003 und damit seit Beginn des Unterhaltszeitraums ab Januar 2004 bestanden hat.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst ihre bis dahin nur 20 Stunden wöchentlich ausgeübte Teilzeittätigkeit bereits ab August 2003 und damit schon nach rund 7-monatiger Trennung auf 30 Stunden wöchentlich ausgeweitet hat. Von diesen tatsächlichen Verhältnissen ist auszugehen. Gerade im Hinblick darauf, dass die damals noch minderjährige Tochter F. der Parteien nach der Trennung im Haushalt des Beklagten verblieben ist, muss angenommen werden, dass der Klägerin die Ausweitung der Tätigkeit auf 30 Stunden zumutbar war, es sich insoweit wegen des Mehrverdienstes nicht um ein überobligatorisch erzieltes Einkommen handelt.
Für die Zeit nach Ablauf des zweiten Trennungsjahres, ab Januar 2005, geht die Klägerin selbst davon aus, unterhaltsrechtlich zur Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet zu sein. Sie zieht aller...