Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der gemeinsamen Sorge Getrenntlebender und Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 06.11.2014; Aktenzeichen 2.2 F 196/12) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AGs Strausberg vom 6.11.2014 abgeändert. Die elterliche Sorge für das Kind N. K. wird auf die Mutter allein übertragen. Der Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das Kind S. K. wird abgewiesen, sodass die elterliche Sorge der Mutter allein zusteht.
Die Beschwerde des Vaters wird zurückgewiesen.
2. Der Mutter wird aufgegeben, einen Kurs "Kind im Blick" zu absolvieren.
3. Der Mutter wird aufgegeben, regelmäßige Erziehungsberatung bei einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen.
4. Der Mutter wird aufgegeben sicherzustellen, dass das Kind N. K. eine (Kinder-)Psychotherapie bei einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten einer anderen Einrichtung als "Kind im Zentrum" besucht.
5. Der Mutter wird aufgegeben, eine Erziehungsbeistandschaft des Jugendamtes für die Kinder N. und S. K. in Anspruch zu nehmen.
6. Die Eltern tragen die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.
7. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beteiligten Eltern streiten um die elterliche Sorge für ihre gemeinsamen Kinder N. und S. K.
Die Eltern der jetzt neun und sechs Jahre alten Kinder waren nicht verheiratet. Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt. Die Sorge für N. stand den Eltern aufgrund einer Sorgeerklärung gemeinsam zu. Für S. übte die Mutter die Sorge allein aus, eine Sorgeerklärung gab es nicht. Die Eltern lebten ab Februar oder März 2011 in der gemeinsamen Wohnung getrennt. Im Dezember 2011 zog der Vater aus der Wohnung aus und nahm eine eigene Wohnung in S. N. und S. leben seit der Trennung bei der Mutter.
Im Juli 2012 hat der Vater das vorliegende Verfahren zunächst mit dem Ziel eingeleitet, die Mitsorge für S. zu erhalten. Die Mutter ist dem entgegengetreten und hat die Übertragung der elterlichen Sorge auch für N. auf sich allein begehrt.
Am 3.3.2014 hat sie Strafanzeige gegen den Vater wegen des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs beider Kinder erstattet. Daraufhin hat das AG den bereits erteilten Auftrag für ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten zurückgenommen und im parallel laufenden Umgangsverfahren (2.2 F 197/12) ein Glaubwürdigkeitsgutachten betreffend die entsprechenden, den Verdacht des sexuellen Missbrauchs begründenden Aussagen der Kinder eingeholt.
Der Vater hat daraufhin vorgetragen, die ständigen, sich steigernden Vorwürfe der Mutter rechtfertigten die Einschätzung, dass Ruhe, Kontinuität und Struktur für die Kinder besser sichergestellt werden könnten, wenn sie bei ihm lebten. Den Umgang mit der Mutter sowie die Zusammenarbeit mit ihr werde er gewährleisten.
Der Vater hat beantragt, ihm die elterliche Sorge für beide Kinder allein zu übertragen, und den Antrag der Mutter abzuweisen.
Die Mutter hat beantragt, den Antrag des Vaters abzuweisen und ihr die elterliche Sorge für N. allein zu übertragen.
Sie hat vorgetragen, der Vater habe sich während des Zusammenlebens wenig um die Kinder gekümmert, daher bezweifle sie, dass er mit dem Antrag im Interesse des Kindeswohls handele. Während der Umgänge komme es zu Vernachlässigungen der Kinder. So habe der Vater S. auf dem Fahrrad sitzen lassen, während er in ein Geschäft gegangen sei. Das Fahrrad sei umgefallen und S. habe sich am Kopf verletzt. Der Vater enttäusche die Kinder, indem er ihnen Überraschungen verspreche, seine Versprechen aber nicht einhalte. Bei einem Bootsausflug hätten die Kinder keine Schwimmwesten getragen und der Vater habe nicht ausreichend darauf geachtet, dass sie nicht ins Wasser fielen. Er lasse die Kinder, wenn sie bei ihm seien, andere Kleidung anziehen, was sie so verstehe, dass die von ihr ausgesuchte Kleidung aus seiner Sicht minderwertig sei. Eine kindeswohlentsprechende Kooperation der Eltern sei nicht möglich. Der Vater könne getroffene Vereinbarungen nicht einhalten und akzeptiere ihre Entscheidungen nicht. Zudem bestehe seit Anfang März 2014 der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs der Kinder durch den Vater.
Nach Eingang des Glaubwürdigkeitsgutachtens der Sachverständigen K. im Umgangsverfahren (2.2 F 197/12) hat das AG durch den Beschluss vom 6.11.2014, auf den wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, den Eltern die elterliche Sorge für S. gemeinsam übertragen und die weiter gehenden Anträge abgewiesen.
Gegen die Entscheidung wenden sich beide Eltern mit ihren Beschwerden.
Die Mutter trägt vor:
Das AG habe entgegen seiner ursprünglichen Absicht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Auswirkungen der gemeinsamen elterlichen Sorge auf das Kindeswohl von N. und S. abgesehen. Das im Umga...