Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde im Verfahrenskostenhilfeverfahren - keine Verwerfungsbefugnis des Ausgangsgerichts bei abänderbarer Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahrenskostenhilfeverfahren ist das Ausgangsgericht bei einer sofortigen Beschwerde gegen eine abänderbare Entscheidung ohne materielle Rechtskraft regelmäßig an einer Zulässigkeitsprüfung der Beschwerde gehindert und zur Begründetheitsprüfung verpflichtet, damit die gesetzliche Anordnung einer Selbstüberprüfung nicht leerläuft (§ 572 Abs. 1 S 1 ZPO).
2. Die Verwerfungskompetenz für unzulässige Beschwerden liegt in diesen Fällen allein beim Rechtsmittelgericht.
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 18 F 67/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Sache unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 08.11.2018 an das Amtsgericht Nauen zurückverwiesen.
Gründe
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung von Verfahrenskostenhilfe für eine Umgangssache.
Das Amtsgericht hat die dem Antragsteller bewilligte Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 04.09.2018 wegen Ratenrückstandes nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aufgehoben. Der Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 11.09.2018 zugestellt worden (54 VK).
Mit Schreiben vom 10.10.2018, Eingang beim Amtsgericht am 17.10.2018 (55 VK), hat der Antragsteller sofortige Beschwerde erhoben (58 VK), mit näherer Begründung geltend gemacht, zur Ratenzahlung außerstande zu sein und die Bereitschaft bekundet, weitere Unterlagen erforderlichenfalls nachzureichen.
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 08.11.2018 hat das Amtsgericht die sofortige Beschwerde ohne Sachprüfung dem Senat als verfristet vorgelegt (59 VK).
2. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 567 ff ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers führt zur Aufhebung des Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses.
Das Amtsgericht hat die ihm nach § 572 Abs. 1 S 1 ZPO obliegende Abhilfeprüfung unterlassen. Diese hat sich mit der Begründetheit zu befassen und ist dem Amtsgericht unabhängig von einer Zulässigkeit eröffnet (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 572 ZPO, Rn. 14 m.w.N.), die im Abhilfeverfahren keine Rolle spielt (vgl. Musielak/Voit/Ball ZPO § 572 Rn. 4), und deren Prüfung § 572 Abs. 2 S 1 ZPO ausdrücklich dem Beschwerdegericht zuweist. Die Befristung der Beschwerde wird damit keineswegs gegenstandslos, sondern versperrt der zu spät eingelegten Beschwerde eine sachliche Überprüfung durch das Beschwerdegericht. Die in § 572 Abs. 1 S 1 ZPO angeordnete Pflicht des Ausgangsgerichts zur Selbstüberprüfung besteht demgegenüber, um nicht ihrerseits leerzulaufen, jedenfalls bei abänderbaren Entscheidungen ohne materielle Rechtskraft (vgl. MüKoZPO/Lipp ZPO § 572 Rn. 7; BeckOK ZPO/Wulf ZPO § 572 Rn. 6). Verfahrenskostenhilfe versagende Entscheidungen erwachsen regelmäßig nicht in materielle Rechtskraft (vgl. Gottschalk, in: Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 16. Aufl. Rn. 628 m.w.N.), auch nicht in Aufhebungsverfahren wegen Nichtzahlung festgesetzter Raten nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (vgl. BGH FamRZ 2005, 2063).
Mit der Begründetheit der gegen die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe gerichteten sofortigen Beschwerde hat sich das Amtsgericht gar nicht befasst. Es hat nicht geprüft, ob das Beschwerdevorbringen zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung ausreichen könnte.
Der Senat könnte den Verfahrensfehler, unter dem das Abhilfeverfahren leidet, bedeutungslos werden lassen und selbst in der Sache entscheiden, müsste dann allerdings die Beschwerde verwerfen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 572 Abs. 2 ZPO). Er wählt demgegenüber die Aufhebung und Zurückverweisung zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens in der Ausgangsinstanz (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 572 ZPO, Rn. 4). So ist sichergestellt, dass die Begründetheit der Beschwerde überhaupt überprüft wird und das Abhilfeverfahren seine Funktion der Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts entfalten kann.
Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 12512549 |
FamRZ 2019, 619 |