Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung fiktiven Einkommens aufseiten des Unterhaltsschuldners nach unverschuldetem Verlust des Arbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Unterhaltsschuldner seinen Arbeitsplatz unverschuldet verloren, kann ihm bei nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen das früher erzielte Einkommen fiktiv weiter zugerechnet werden, wenn sich an den tatsächlichen Verhältnissen im Übrigen nichts Wesentliches geändert hat. In einem solchen Fall ist aber stets zu prüfen, ob auf Grund der tatsächlichen Umstände weiterhin davon ausgegangen werden kann, dass der Unterhaltsschuldner in einem neuen Arbeitsverhältnis ein ebenso hohes Einkommen wie zuvor zu erzielen vermag. Insbesondere dann, wenn der Unterhaltsschuldner nicht mehr arbeitslos ist, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgeht, bedarf es der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Einsatzes der Arbeitskraft von einem höheren fiktiven Einkommen, als tatsächlich erzielt, auszugehen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 04.10.2005; Aktenzeichen 5.2 F 188/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 197). Denn bislang liegt nur eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24.3.2005 vor. Das AG wird den Kläger auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen. Auf dieser Grundlage wird das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.
Das AG ist davon ausgegangen, dass der Kläger nicht Herabsetzung des durch zwei Jugendamtsurkunden vom 17.10.2001 titulierten Unterhalts verlangen kann, da ihm weiterhin ein Erwerbseinkommen wie zum Zeitpunkt der Errichtung der Jugendamtsurkunden fiktiv zuzurechnen sei. Diese Annahme ist jedoch bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) nicht zu Lasten des Klägers gerechtfertigt.
Wurde ein Arbeitsstelle leichtfertig aufgegeben, so kann für die fortlaufende Zurechnung fiktiver Einkünfte an den früheren Verdienst angeknüpft werden (Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 6341; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 633; vgl. zur leichtfertig herbeigeführten Leistungsunfähigkeit auch Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rz. 494 ff.). In allen übrigen Fällen sind die Einkünfte zu ermitteln, die der Betreffende nach seinem Alter, seiner Vorbildung und dem beruflichen Werdegang erzielen könnte (vgl. BGH v. 11.1.1984 - IVb ZR 10/82, MDR 1984, 654 = FamRZ 1984, 374 [377]; OLG Brandenburg v. 23.10.2001 - 10 WF 145/01, MDR 2002, 844 = FamRZ 2003, 48 [50]; Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 6341; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 633). Hat der Unterhaltsschuldner seinen Arbeitsplatz unverschuldet verloren, mag ihm bei nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen das früher erzielte Einkommen fiktiv weiterhin zugerechnet werden, wenn sich an den tatsächlichen Verhältnissen im Übrigen nichts Wesentliches geändert hat. In einem solchen Fall ist aber stets zu prüfen, ob auf Grund der tatsächlichen Umstände weiterhin davon ausgegangen werden kann, dass der Unterhaltsschuldner in einem neuen Arbeitsverhältnis ein ebenso hohes Einkommen wie zuvor zu erzielen vermag (BGH v. 15.11.1995 - XII ZR 231/94, MDR 1996, 281 = FamRZ 1996, 345 [346]). Insbesondere dann, wenn der Unterhaltsschuldner nicht mehr arbeitslos ist, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgeht, bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Einsatzes der Arbeitskraft (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 614) von einem höheren fiktiven Einkommen als tatsächlich erzielt, auszugehen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Leistungsfähigkeit des Klägers im Prozesskostenhilfeverfahren unter He...