Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 10.10.2019; Aktenzeichen 20 StVK 312/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2019 aufgehoben.
Die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Kassel vom 15. Dezember 2015 (2850 Js 27431/14 - 9 Ns) wird erlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2019, mit dem die durch Urteil des Landgerichts Kassel vom 15. Dezember 2015 gewährte Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung widerrufen wurde.
Folgender Verfahrensgang liegt zugrunde:
Am 15. Dezember 2015 erkannte das Landgericht Kassel (2850 Js 27431/14 - 9 Ns) wegen exhibitionistischer Handlung unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. Februar 2014 (253 Js 3662/12 273 Ds 93/19) gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gegen den Verurteilten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Während der vom 15. Dezember 2015 bis zum 14. Dezember 2018 dauernden Bewährungszeit wurde der Verurteilte erneut straffällig. So verurteilte ihn das Landgericht Berlin (253 Js 4892/16 Ns [110/17]) wegen am 26. August 2016 begangener exhibitionistischer Handlungen in zwei Fällen am ... Januar 2019 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Mehr als zwei Drittel dieser Strafe verbüßte der Verurteilte in der Zeit vom 27. Mai 2019 bis zum 20. November 2019.
Mit Blick auf diese neuerliche Straffälligkeit des Verurteilten beantragte die Staatsanwaltschaft Kassel unter dem 15. Mai 2019, die im Urteil des Landgerichts Kassel gewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Die Staatsanwaltschaft brachte diesen Antrag nicht bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam, sondern bei dem Amtsgericht Eberswalde an, weil sie von der Inhaftierung des Verurteilten keine Kenntnis hatte. Das Amtsgericht bemühte sich in der Folgezeit um die gebotene Anhörung des Verurteilten zu dem Widerrufsantrag, erlangte Kenntnis von dessen Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt ... und leitete die Sache deshalb über die Staatsanwaltschaft Kassel zuständigkeitshalber an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam weiter.
Die Kammer stellte dem Verurteilten daraufhin erneut den Widerrufsantrag zu, und zwar nunmehr unter der Anschrift der Justizvollzugsanstalt ... . Ob das Begleitschreiben der Kammer den Absender "Amtsgericht Eberswalde" oder denjenigen des Landgerichts Potsdam trug, lässt sich nicht mehr aufklären. Jedenfalls nahm der Verteidiger des Verurteilten mit Schriftsatz vom 10. September 2019 gegenüber dem Amtsgericht Eberswalde Stellung. Nachdem die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam in einem Anhörungstermin zur Frage einer Aussetzung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2019 am 25. September 2019 auch gegenüber dem Verteidiger geklärt worden war, übermittelte dieser seine Stellungnahme unter dem 01. Oktober 2019 an diese.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Oktober 2019 widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam mit Blick auf die während der Bewährungszeit begangenen Straftaten des Verurteilten die mit Urteil des Landgerichts Kassel vom 15. Dezember 2015 gewährte Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung. Zu diesem Zeitpunkt verbüßte der Verurteilte noch die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin - zwei-Drittel-Termin war auf den 05. November 2019, Strafende auf den 26. Januar 2020 notiert.
Gegen diesen ihm am 15. Oktober 2019 zugestellten Beschluss legte der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18. Oktober 2019 sofortige Beschwerde ein, die er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 begründete. Er macht geltend, die zugrunde liegende Verurteilung liege knapp vier Jahre zurück, die Bewährungszeit sei zwischenzeitlich abgelaufen. Bereits der lange Zeitablauf zwischen Tatbegehung am ... August 2016 und Urteilsverkündung am 10. Januar 2019 habe ihn nachhaltig belastet. Auch unter Berücksichtigung seines Lebensalters von 67 Jahren erweise sich der Widerruf als unverhältnismäßig. Zudem sei eine Rückfallgefahr angesichts sich an den Strafvollzug anschließender engmaschiger psychologischer Therapie nahezu ausgeschlossen.
Ungeachtet dieses Rechtsmittels des Verurteilten brachte das Landgericht Potsdam am 22. November 2019 einen Rechtskraftvermerk "rechtskräftig ab 21. November 2019" auf dem angefochtenen Beschluss an. Dies hatte zur Folge, dass der Verurteilte ausweislich des Vollstreckungsblatts der Justizvollzugsanstalt ... ab diesem Tag die vermeintlich rechtskräftig widerrufene Strafe aus dem ...