Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 10.02.2022 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az. 1 O 110/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1.1 Hierzu besteht für die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines restlichen Hinterbliebenengeldes aus Anlass eines Verkehrsunfalls, der sich am ... 2020 gegen 8:55 Uhr auf der Bundesstraße ... in Höhe des Ortes W... ereignete, in Anspruch. Die seinerzeit 82 Jahre alte Mutter der Klägerin befuhr mit ihrem Pkw die Bundesstraße ... aus Richtung P... kommend in Fahrtrichtung W.... Der Beklagte befuhr mit seinem Pkw die Bundesstraße im Gegenverkehr und stieß in der Fahrspur der Mutter der Klägerin mit deren Pkw frontal zusammen. In der Folge des Unfalls verstarb die Mutter der Klägerin.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte vorgerichtlich ein Hinterbliebenengeld i.H.v. 5.500,00 EUR. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines weiteren Hinterbliebenengeldes in Höhe von mindestens 6.000,00 EUR sowie die Erstattung ihr vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.07.2021 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 157,80 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe gemäß § 844 Abs. 3 BGB ein weiteres Hinterbliebenengeld von 2.000,00 EUR zu. Unter Abwägung aller relevanten Umstände sei im vorliegenden Fall ein Hinterbliebenengeld in der Gesamthöhe von 7.500,00 EUR als angemessen zu betrachten. Die Kammer gehe entsprechend dem Vortrag der Klägerin davon aus, dass diese in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zu ihrer bei dem Unfall ums Leben gekommenen Mutter gestanden habe. Allerdings liege der Fall anders als bei dem Verlust eines Elternteils von minderjährigen Kindern, die auf die Fürsorge der Eltern angewiesen seien, was sich mindernd auf die Höhe des Hinterbliebenengeldes auswirke. Berücksichtigt worden sei auch, dass der Beklagte infolge seines verkehrswidrigen Fahrverhaltens den Unfall in grob fahrlässiger Weise verursacht habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.02.2022 zugestellte Urteil mit einem am 21.02.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 07.04.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Beklagte hat seinerseits innerhalb der bis zum 23.06.2022 verlängerten Frist zur Berufungserwiderung mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter. Sie ist der Auffassung, schon die Ausgleichsfunktion rechtfertige ein erhöhtes Hinterbliebenengeld, wobei berücksichtigt werden müsse, dass sie als "Nesthäkchen" ein besonders inniges Verhältnis zu ihrer Mutter verbunden habe. Im vorliegenden Fall gewinne die Genugtuungsfunktion herausragende Bedeutung, weil ein Fall von besonders krassem Verschulden vorliege. In solchen Fällen sei es schon aus Gerechtigkeitsgründen geboten, dass ein erhöhtes Hinterbliebenengeld in Ansatz gebracht werden müsse. Das Landgericht habe weder eigene Ermessensgründe angegeben, noch begründet, warum der vorliegende Fall mit den im Urteil angeführten Entscheidungen vergleichbar sei. Das Urteil enthalte im Wesentlichen lediglich zwei knappe Begründungen, die nicht überzeugen könnten. Warum ihr Alter sich mindernd auf die Höhe ihres Anspruches auswirken solle, sei nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil spreche die langjährige dauernde innige Beziehung dafür, dass ein solcher Verlust als Härte empfunden werde. Selbst wenn man von einem durchschnittlichen Hinterbliebenengeld von 10.000,00 EUR für den Regelfall ausgehe, sei ihr Anspruch mindestens in dieser Höhe gerechtfertigt. Dies ergebe sich allein schon aus der Genugtuungsfunktion unter Berücksichtigung der Bewertung des Verschuldensgrades, der Vermögensverhältnisse, der Regulierungsverzögerung und des Tatnachverhaltens des Beklagten. Aufgrund der Beweise stehe fest, dass der Beklagte ohne hinreichende Sicht auf den Gegenverkehr "blind" einen Überholversuch eingeleitet habe und mit einer Geschwindigkeit von annähernd 100 km/h auf die Gegenseite gefahren sei. Insoweit halte sie daran fest, dass von einem bedingten Vorsatz auszugehen sei. Das Verhalten des Beklagten wiege schwerer als in den sogenannten "Raserfällen", zumal sich der Unfall nicht zur verkehrsarmen Nachtzeit, sondern ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?