Verfahrensgang
LG Cottbus (Aktenzeichen 22 Qs 61/21) |
Tenor
Gegen den Angeschuldigten wird die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr besteht.
Für die Dauer von drei Monaten wird die Haftkontrolle dem Landgericht Cottbus übertragen.
Gründe
I.
Der Angeschuldigte befindet sich seit dem 4. Juni 2021 aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Cottbus vom 27. April 2021 in Untersuchungshaft.
In dem Haftbefehl wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, in mindestens fünf Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben haben. Konkret wird ihm zur Last gelegt, in der Zeit vom 3. April bis 18. Mai 2020 insgesamt ein Kilogramm Kokain, ca. zwei Kilogramm Methamphetamin Crystal und 10 Kilogramm Marihuana vom (bisher nicht identifizierten) EncroChat-Nutzer "(A)@...com" sowie drei Kilogramm Methamphetamin Crystal und 10 Kilogramm Marihuana vom EncroChat-Nutzer "(B)@...com", identifiziert als ...., erworben zu haben. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf den Haftbefehl des Landgerichts Bezug.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.
II.
Der Senat entscheidet antragsgemäß.
Die Voraussetzungen für den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft liegen vor.
1.
Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, die in dem Haftbefehl bezeichneten Taten begangen zu haben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies ergibt sich aus dem in den Haftbefehl bezeichneten Beweismitteln und dem in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 1. November 2021 zutreffend zusammengefassten, wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen. Die eindeutige Identifizierung des Angeschuldigten als Nutzer von "(C)@..." konnte aufgrund der Entschlüsselung der anonymisierten Nutzerkennungen und der Kommunikation durch die französischen Strafverfolgungsbehörden erfolgen. Der Auswertung des unter der Nutzerkennung "(C)@..." genutzten Mobiltelefons des Angeschuldigten ließ sich eine auf die jeweiligen Tat bezogene Kommunikation des Angeschuldigten mit weiteren gesondert Verfolgten entnehmen.
Soweit sich der dringende Tatverdacht aus der Auswertung der durch die französischen Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit der Überwachung des Dienstleistungsanbieters für sogenannte Krypto-Handys (EncroChat) durch Entschlüsselung von Chat-Nachrichten gewonnenen Daten beruht, unterliegen diese keinem Beweisverwertungsverbot.
Der Senat teilt die hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung (OLG Bremen, Beschl. v. 18. Dezember 2020 - 1 Ws 166/20; OLG Hamburg, Beschl. v. 29. Januar 2021 - 1 WS 2/21 - 7 OBL 3/21; OLG Schleswig, Beschl. v. 29. April 2021 - 2 Ws 47/21; OLG Rostock, Beschl. v. 23. März 2021 - 20 Ws 70/21; ebenso LG Flensburg, Beschl. v 11. Juni 2021 - V Qs 26/21, jeweils zitiert nach Juris) und folgt insoweit nicht der entgegenstehenden, soweit ersichtlich nicht rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Berlin (Beschl. v. 1. Juli 2021 - [525 KLs] 254 Js 592/20 [10/21]; ein Verwertungsverbot ebenfalls bejahend Wahl ZIS 2021, 452ff.). Hierfür sind für den Senat zusammengefasst im Wesentlichen folgende Überlegungen maßgeblich (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juli 2021, Az.: 2 Ws 94/21):
a) Ein zu einem Beweisverwertungsverbot führender Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung liegt nicht vor (§ 73 Satz 1 IRG).
Die Art und Weise der in Frankreich betriebenen Beweisgewinnung (näher dargestellt in der Entscheidung OLG Hamburg v. 29. Januar 2021, aaO.) unterliegt dabei nicht uneingeschränkter Überprüfung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht den deutschen Gerichten eine Nachprüfung der im Ausland getroffenen Maßnahmen nach dem dortigen innerstaatlichen Recht grundsätzlich nicht zu, soweit die dortige Beweiserhebung - wie hier - nicht auf einem inländischen Rechtshilfeersuchen beruht (BGH, Beschl. v. 21. November 2012 - 1 StA 310/12; eingehend Pauli NStZ 2021, 146ff.).
Dass die Anordnung der von den französischen Behörden durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen nach bisherigem Erkenntnisstand nicht den Anforderungen zu genügen scheint, die nach deutschem Recht an eine Überwachung des internetbasierten Datenaustausches und der Telekommunikation zu stellen wären, verbietet nach der hierbei zu treffenden Gesamtabwägung nicht die Verwertung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse. Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass zwar entsprechend der deutschen Rechtsordnung im Hinblick auf die hiermit verbundenen Eingriffe in Grundrechte (Art. 10 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eine Überwachung nur aus Anlass eines konkreten Geschehens und gegen bestimmte Beschuldigte bei Vorliegen eines qualifizierten Verdachtes erlaubt, eine verdachtslose Überwachung der Kommunikation dagegen grundsätzlich unzulässig ist (§§ 100a, b, StPO; BVerfG, Urt. v. 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, NJW 2008, 822). Dass entsprechende in Frankreich angeordnete und gerichtlich beschlossene Ermittl...