Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehewohnungszuweisung. Anspruch eines getrennt lebenden Ehegatten auf Wiedereinräumung des Mitbesitzes an einem gemeinsamen Haus
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ehegatte hat Anspruch auf Mitbenutzung des gemeinsamen Hauses während des Getrenntlebens, wenn dem anderen Ehegatten kein Anspruch auf Alleinnutzung zur Vermeidung einer unbilligen Härte zusteht.
2. Eine Ehewohnung i.S.v. § 1361b BGB ist begrifflich schon dann gegeben, wenn die Räumlichkeiten von beiden Eheleuten mit einer gewissen Regelmäßigkeit zeitweise genutzt werden.
Normenkette
BGB §§ 985, 1011, 1361b; HausratsVO § 15; HausratsVO § 18a
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 17.10.2007; Aktenzeichen 6 F 556/07) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Teilabhilfebeschluss des AG Strausberg vom 28.11.2007 aufgehoben, soweit darin der Beschluss des AG Strausberg vom 17.10.2007 teilweise abgeändert wird.
2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Strausberg vom 17.10.2007 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat in vollem Umfang Erfolg. Dasjenige des Antragstellers führt nicht zum Erfolg.
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die teilweise Abhilfeentscheidung des AG ist zulässig und begründet. Es hat bei der Entscheidung vom 17.10.2007 zu bleiben. Danach hat der Antragsteller der Antragsgegnerin den sofortigen Zutritt zum ehelichen Haus zu verschaffen und ihr für das ausgewechselte Türschloss einen Schlüssel auszuhändigen.
1. Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Einräumung des Besitzes ergibt sich aus §§ 1011, 985 BGB. Aus Gründen der Sachnähe, Praktikabilität und Verfahrensökonomie besteht eine Zuständigkeit des FamG auch für diesen Teil des Verfahrensgegenstands BGB (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1361b, Rz. 18).
Unstreitig sind die Parteien Miteigentümer. Jeder Miteigentümer kann ggü. dem anderen sein Anteilsrecht geltend machen, z.B. auf Einräumung des Besitzes aus § 985 BGB (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB, a.a.O., § 1011 Rz. 11). Die Antragsgegnerin kann daher verlangen, dass ihr Zutritt zu dem den Parteien gemeinschaftlich gehörenden Haus verschafft wird.
Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien Ehegatten sind. Allerdings ist streitig, in welchem Verhältnis § 1361b BGB zu § 985 BGB steht. Es ist der Auffassung der Vorzug zu geben, wonach beide Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden können, allerdings der Regelungsgehalt des § 1361b BGB auch bei Geltendmachung anderer Ansprüche zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kapitel 4, Rz. 178; OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 760).
Der Regelungsgehalt von § 1361b BGB spricht hier nicht gegen die Einräumung des Mitbesitzes an der Ehewohnung. Die Berücksichtigung des Regelungsgehaltes bedeutet nämlich nicht - wie das AG in seiner teilweisen Abhilfeentscheidung offenbar meint -, dass dem gestellten Antrag nur entsprochen werden kann, wenn zugleich die Voraussetzungen von § 985 BGB und § 1361 BGB auf Seiten der Antragsgegnerin vorliegen. Im Gegenteil ist zu prüfen, ob die Einräumung des Mitbesitzes nicht gerechtfertigt ist und deshalb zu unterbleiben hat, weil sich der andere Ehegatte - hier der Antragsteller - auf § 1361b BGB berufen kann.
Es stellt für den Antragsteller keine unbillige Härte i.S.v. § 1361b BGB dar, wenn er der Antragsgegnerin den Mitbesitz einräumt. Das Haus hat eine Gesamtfläche von 800 qm und verfügt über 23 Zimmer. Es gelingt vielen Ehegatten, auf wesentlich engerem Raum innerhalb einer Ehewohnung, die noch dazu von Kindern mitbewohnt wird, getrennt zu leben.
Auch angesichts des möglicherweise ungewöhnlichen Zuschnitts des Hauses ist es für den Antragsteller keinesfalls unzumutbar, der Antragsgegnerin den Zutritt zu der Ehewohnung einzuräumen. Ob ein Alleinnutzungsanspruch der Antragsgegnerin besteht - was angesichts der Größe des Hauses der Parteien eher fern liegt - ist hier nicht zu entscheiden. Denn die Antragsgegnerin will das Haus nach ihrem Vorbringen nur mitbenutzen.
2. Der Antragsteller hat keine ausreichenden Gesichtspunkte vorgetragen, die es erfordern, die Antragsgegnerin während der Dauer des Getrenntlebens von der Mitbenutzung des gemeinsamen Hauses auszuschließen. Dies würde einen Anspruch des Antragstellers zur Alleinnutzung der Ehewohnung voraussetzen. Dafür wäre wiederum erforderlich, dass die Ehewohnungszuweisung an den Antragsteller allein notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Ein solcher Grund i.S.v. § 1361b Abs. 1 BGB liegt hier jedoch nicht vor.
Entgegen seiner Auffassung kann der Antragsteller die Überlassung des gesamten Hauses zur Alleinnutzung nicht mit der Begründung beanspruchen, dass die Antragsgegnerin bei ihrem Auszug im Jahr 2007 bereits Hausratsgegenstände zur Einrichtung ihrer neuen Wohn...