Leitsatz (amtlich)
Ist ein Kind nach einem Unfall nur noch mit Hilfe künstlicher Beatmung und durch künstliche Ernährung lebensfähig und willigt der Sorgeberechtigte in die Beendigung dieser lebenserhaltenden Massnahmen ein, kann seine Einwilligung mangels gesetzlicher Grundlage nicht familiengerichtlich genehmigt werden.
Verfahrensgang
AG Fürstenwalde (Aktenzeichen 10 F 33 1/98) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Der Beschwerdeführerin zu 2. wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … beigeordnet. Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführerin zu 2. ist die Mutter des Beschwerdeführers zu 1. Die Ehe der Eltern von …, dem Beschwerdeführer zu 1., wurde am 31.03.1991 in Kasachstan geschieden. Die Mutter kam danach mit … der deutscher Staatsangehöriger ist, und einem weiteren Kind sowie mit ihrem Vater, also dem Großvater der Kinder, nach Deutschland.
Im Jahre 1994 verunglückte … beim Baden. Er wurde unter Wasser gedrückt und war längere Zeit ohne Sauerstoff bei zugleich extremer Unterkühlung. Nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand wurde er reanimiert. Seither kann er nur noch mit Hilfe künstlicher Beatmung und durch künstliche Ernährung leben. Nach ärztlicher Auskunft ist das Gehirn, insbesondere durch eingedrungenes Wasser, das eine Schädeldachabnahme bedingt hat, stark geschädigt und steuert lediglich die. „primitiven Regulationszentren”. Ein Wiedererwachen des Patienten ist, der ärztlichen Auskunft zufolge, nicht zu erwarten, ohne dass andererseits abzusehen ist, wie lange das Kind in dieser Situation leben wird.
Am 26.10.1998 hat die Mutter von … beantragt, die Zustimmung zur Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen bezüglich des Kindes zu erteilen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Zustand des Kindes sei so schrecklich, dass es unmoralisch sei, ihn weiter aufrechtzuerhalten. Sie leide seit nunmehr 4½ Jahren unerträglich.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen und dazu ausgeführt, eine Genehmigung zur Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen sei gesetzlich nicht geregelt, eine analoge Anwendung anderer Vorschriften komme nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen am 23.01.1999 zugestellten Beschluss hat die Mutter von … zugleich im Namen des Kindes, am 22.02.1999 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Zustimmung zur Einstellung der lebenserhaltenden Maßnahme hinsichtlich des Kindes zu erteilen,
hilfsweise das Amtsgericht unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anzuweisen, den Antrag vom 26.10.1998 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts neu zu bescheiden.
Zur Begründung des Rechtsmittels wird ausgeführt:
Das Kind erscheine nicht mehr als lebendiger Mensch, dem zur Unterstützung seiner Lebensfunktionen Maschinen angeschlossen würden, vielmehr als biologisches Anhängsel intensivmedizinischer Maschinen und Gerätschaften. Dieser Zustand sei unerträglich und stelle einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar. Es sei von einem mutmaßlichen Willen des Kindes dahin auszugehen, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen beendet würden. Artikel 1, 2 und 6 des Grundgesetzes geböten sowohl der Rechtsprechung als auch dem Gesetzgeber, rechtmäßige Handlungsmöglichkeiten für Personen, Sorgeberechtigte und Intensivmediziner vorzugeben. Weder Angehörige noch behandelnde Ärzte dürften dem Zweifel ausgesetzt werden, ob sich bei Einstellung intensivmedizinischer Maßnahmen gegen sie strafrechtliche Folgen ergäben.
Wegen der Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. ist zulässig, die des Beschwerdeführers zu 1. hingegen unzulässig. Als Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss ist die befristete Beschwerde gemäß § 621 e Abs. 1, 3 ZPO statthaft. Das Rechtsmittel ist fristgerecht eingelegt worden. Dem Beschwerdeführer zu 1. fehlt es jedoch an der Beschwerdeberechtigung.
Die vorliegend begehrte Zustimmung, bei der es sich der Sache nach um die familiengerichtliche Genehmigung einer Einwilligung der Beschwerdeführerin zu 2. in die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen für den Beschwerdeführer zu 1. handelt, ist gesetzlich nicht geregelt. Verfahrensrechtlich am ehesten vergleichbar ist der Fall des § 1631 b BGB, wonach eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur mit Genehmigung des Familiengerichts zulässig ist. Eine Entscheidung darüber, ob eine solche Genehmigung zu erteilen ist, stellt eine Endentscheidung über eine Familiensache im Sinne des § 621 e ZPO dar. Denn es handelt sich um eine Angelegenheit, die ein Kind betrifft und die aufgrund des Kindschaftsrechtsr...