Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 11.11.2003; Aktenzeichen 20 StVK 383/99) |
GStA Brandenburg (Aktenzeichen 5212 Ws 13/04) |
StA Neuruppin (Aktenzeichen 76 Js 1103/95) |
StA Neuruppin (Aktenzeichen 76 VRs 66/98) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11. November 2003 aufgehoben.
Die dem Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. November 1999 zugrunde liegenden Strafreste aus den Urteilen des Landgerichts Neuruppin vom ... und ... werden erlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 23. November 1999 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam die Vollstreckung der Einheitsjugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Neuruppin vom und der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Neuruppin vom ... jeweils nach Verbüßung von 2/3 zur Bewährung aus. Durch Beschluss vom 29. November 1999 bestimmte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam die Bewährungszeit auf zwei Jahre.
Mit Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom ... wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt. Da er die ihm vorgeworfene Tat am 10. Oktober 2000, mithin innerhalb der laufenden Bewährungszeit, begangen hatte, verlängerte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam mit Beschluss vom 7. November 2002 (20 StVK 383/99) die Bewährungszeit um ein Jahr auf insgesamt drei Jahre.
Mit Urteil vom ... verhängte das Amtsgericht Oranienburg ... gegen den Beschwerdeführer wegen einer am 7. Juni 2002 begangenen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 EUR.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam hat daraufhin mit der angefochtenen Entscheidung die mit Beschluss des Landgerichts Potsdam - Strafvollstreckungskammer - vom 23. November 1999 (20 StVK 383/99) in Gestalt des diesen abändernden Beschlusses vom 7. November 2002 angeordnete Vollstreckungsaussetzung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Neuruppin vom ... und vom ... zur Bewährung widerrufen.
Dieser Beschluss ist dem Beschwerdeführer laut Zustellungsurkunde am 13. Januar 2004 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich seine mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige Beschwerde vom 19. Januar 2004, eingegangen beim Amtsgericht Brandenburg an der Havel am selben Tage.
II.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam war nicht bereits deshalb am Widerruf der Strafaussetzung gehindert, weil der Beschwerdeführer die Anlasstat am 7. Juni 2002, also nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit am 2. Dezember 2001 und vor
Ergehen des Beschlusses vom 7. November 2002, mithin in einer so genannten "bewährungsfreien Zeit", begangen hat; denn der Beschwerdeführer konnte sich nicht auf den verfassungsrechtlich begründeten Vertrauensschutzgrundsatz berufen, wonach für den Widerrufeiner Strafaussetzung zur Bewährung nicht Taten herangezogen werden können, die während eines Zeitraums begangen sind, in dem der Täter von dem rückwirkenden Beschluss über die sich nahtlos anschließende Bewährungszeitverlängerung noch nichts wusste. Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam den Beschwerdeführer nämlich mit Verfugung vom 28. Januar 2002, dem Beschwerdeführer zugestellt am 14. Februar 2002, von der beabsichtigten Verlängerung der Bewährungszeit aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Oranienburg vom 2. Juli 2001 in Kenntnis gesetzt und ihn zur Stellungnahme aufgefordert. Daraufhin konnte sich der Beschwerdeführer nicht "bewährungsfrei11 fühlen. Der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam war es jedenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt, die zwischen dem vorläufigen Ende der Bewährungszeit und der Verlängerung liegende neue Straftat zum Anlass für den späteren Widerruf zu nehmen (vgl. BVerfG StV 1996, 160 ff).
Die Voraussetzungen für einen Widerruf lagen jedoch nicht vor.
Zwar hat sich der Beschwerdeführer während der "nicht bewährungsfreien Zeit" erneut strafbar gemacht. Allerdings führt nicht jede während der Bewährungszeit begangene Straftat zur Zulässigkeit des Widerrufs, sondern nur solche Straftaten, durch die der Verurteilte zeigt, dass die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung sich nicht erfüllt hat. Hierbei ist ausschließlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind unter anderem auch die Schuldform, der Charakter und die Schwere der neuen Tat sowie deren kriminologischer Zusammenhang mit der früheren Tat zu berücksichtigen. Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam ausschließlich darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits zum zweiten Mal innerhalb der Bewährungszeit straffäl...