Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsentziehung von Amts wegen - Verfahrensbeistand
Leitsatz (amtlich)
1. Das Familiengericht hat dem Verfahrenspfleger durch die Gestaltung des Verfahrens zu ermöglichen, seine Funktion sinnvoll wahrzunehmen und zu den die Interessen und den Willen des Kindes betreffenden Tatsachen und den diesbezüglichen Ermittlungen des Familiengerichts umfassend Stellung zu nehmen (BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rz. 33).
2. Dazu muss er sich in die Verfahrensakten einarbeiten und die Gelegenheit haben, sich mit den Kindern unter gesprächstauglichen Umständen näher zu unterhalten (vgl. BGH Beschl. v. 16.3.2011 - XII ZB 407/10).
3. Ein Verfahrensbeistand kann innerhalb eines Verfahrens regelmäßig für mehrere Kinder bestellt werden, da im Allgemeinen zwischen ihnen kein Interessengegensatz existiert oder zu befürchten ist.
4. Die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung wegen der unterlassenen Einleitung des Hauptsacheverfahrens (§ 52 Abs. 2 S. 3 FamFG) kommt nur bei Antragsverfahren in Betracht, nicht hingegen bei Verfahren, die vom Amts wegen eingeleitet werden können (vgl. Horndasch/Viefhues, FamFG, § 52 Rz. 2 m.w.N.).
5. Das Verfahren über die Entziehung von Teilen der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB kann von Amts wegen (§ 24 FamFG) eingeleitet werden (vgl. Horndasch/Viefhues/Reinken, FamFG, § 24 Rz. 2).
Normenkette
BGB § 1666; FamFG §§ 24, 52 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 10.03.2011; Aktenzeichen 20 F 20/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nauen vom 10.3.2011 - 20 F 20/11 - im Tenor zu 1. und 3. sowie zum Kostentenor aufgehoben.
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des AG Nauen vom 19.11.2010 - 24 F 472/10 - aufgehoben ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder J. B. und C. L. beim Antragsteller liegt.
3. Der weitergehende Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens trägt der Landkreis Havelland.
Gründe
I. Der Antragsteller hat die alleinige Sorge für seine Tochter J. Nach einem Vergleich vom 23.4.2008 in dem Verfahren 24 F 21/08 (vgl. 45 GA) zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin, der Mutter seiner zweiten Tochter C., lebt und verbleibt C. bei ihm.
Auf Antrag des Jugendamtes hat das AG Nauen durch Beschluss vom 19.11.2010 in einem einstweiligen Anordnungsverfahren zum damaligen AZ 24 F 472/10 dem Antragsteller für beide Töchter und der Antragsgegnerin für C. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Hilfe zur Erziehung entzogen unter Anordnung einer Amtspflegschaft für beide Kinder, die fortan im ASB-Kinderheim Falkensee lebten. Diesen Beschluss hat das AG in dem sodann unter dem neuen AZ 20 F 193/10 fortgeführten Verfahren durch Beschluss vom 9.12.2010 aufgehoben, unter erneuter Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes des Antragstellers und Anordnung einer Amtspflegschaft für J. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat der Senat den Beschluss vom 9.12.2010 durch Beschl. v. 11.2.2011 - 13 UF 7/11 - wegen schwerwiegender Verletzungen der Verfahrensrechte der Kinder und des Antragstellers aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Mit Schreiben vom 25.2.2011 vertrat das Jugendamt gegenüber dem Antragsteller den Standpunkt, der Beschluss des AG vom 19.11.2010 sei wieder aufgelebt und wirke fort (vgl. A2, 12 GA); gleichzeitig ordnete es den Verbleib von J. im Kinderheim und den von C. bei der Antragsgegnerin an.
Daraufhin beantragte der Antragsteller im hiesigen Verfahren die Unwirksamkeit des Beschlusses des AG vom 19.11.2010 zu beschließen und dessen Aufhebung sowie die Feststellung der Erledigung des Verfahrens mit dem AZ 20 F 193/10, da die Antragsgegnerin die Frist zu Einleitung des Hauptsacheverfahrens habe verstreichen lassen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Anträge des Antragstellers als unzulässig zurückgewiesen und dem Beschwerdeführer von Amts wegen im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, betreffend die Kinder J. und C. entzogen, unter Anordnung einer Amtspflegschaft für J.
II. Die nach § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Der Antrag betreffend den Beschluss vom 19.11.2010 zum AZ 24 F 472/10 ist als Feststellungsantrag auszulegen und als solcher zulässig und begründet.
Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit ist zulässig, da sich das Jugendamt in seinem Schreiben vom 25.2.2011 seiner Wirksamkeit gegenüber dem Antragsteller berühmt.
Der Antrag ist begründet, da der Beschluss des AG vom 19.11.2010 zum AZ 24 F 472/10 bereits durch Beschluss vom 9.12.2010 in dem zum AZ 20 F 193/10 fortgeführten Verfahren aufgehoben wurde, wie das AG der Sache nach zutreffend ausgeführt hat. Die Annahme, der Aufhebungsbeschluss des Senats vom 11.2.2011 - 13 UF 7/11 -, der mit den Beschwerdeführer schwerwiegend belastenden Verfahrensfehlern ...