Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringung/Kindschaftssache: Isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung über die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen (§ 1631b BGB)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auslegungsfähige Verfahrensanträge eines Beteiligten nach dem FamFG zielen, nicht anders als Prozesserklärungen einer Partei nach der ZPO, im Zweifel auf das, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senat in ständiger Rechtsprechung, zuletzt FamRZ 2020, 184 m.w.N.).

2. In einem Verfahren der einstweiligen Anordnung über die freiheitsentziehende Unterbringung eines Minderjährigen (§ 1631b BGB) ist der Antrag auf mündliche Verhandlung auch zulässig, wenn das Gericht ohne mündliche Erörterung über die Unterbringung entschieden hat. In diesem Fall besteht ein Wahlrecht zwischen der nach §§ 57 S 2, 151 Nr. 6 FamFG statthaften Beschwerde und dem Antrag nach § 54 Abs. 2 FamFG (vgl. Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 54 Rn. 13 m.w.N.). Der Antrag nach § 54 Abs. 2 FamFG ist an keine Frist gebunden (vgl. MüKoFamFG/Soyka, 3. Aufl. 2018 Rn. 8, FamFG § 54 Rn. 8).

3. In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann sich der Antrag auf erneute Entscheidung nach § 54 Abs. 2 FamFG wie eine Beschwerde nach §§ 57 S 2, 58 ff FamFG auf die Kostenentscheidung beschränken.

4. Im Verfahren auf familiengerichtliche Genehmigung der Unterbringung nach § 1631b BGB hat die Kostenentscheidung wegen weitgehender Kosten- und Auslagenfreiheit im Wesentlichen nur die Auslagen eines Verfahrensbeistandes zum Gegenstand. Soweit kein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG vorliegt, kann sich das innerhalb des § 81 Abs. 1 FamFG auszuübende Kostenermessen unabweisbar auf die in § 81 Abs. 1 S 2 FamFG ausdrücklich vorgesehene Anordnung verdichten, von einer Erhebung der Kosten abzusehen, wenn die der Bestellung eines Verfahrensbeistands zugrunde liegende Antragstellung eines Elternteils im wohlverstandenen Interesse des Kindes erfolgt ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05. Dezember 2011 - II-6 UF 197/11 -, Rn. 18, juris; BeckOGK/Kerscher, 1.3.2020, BGB § 1631b Rn. 93), oder sogar mit ausdrücklicher Unterstützung einer Fachklinik.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 6/20)

 

Tenor

Unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 24.04.2020 wird die Sache an das Amtsgericht Nauen zur Entscheidung nach § 54 Abs. 2 FamFG zurückverwiesen.

 

Gründe

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Kostentragung in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung über die freiheitsentziehende Unterbringung ihrer minderjährigen Tochter, für die sie die alleinige Gesundheitssorge trägt.

Sie hat ihren Antrag auf einem insoweit vorbereiteten Vordruck eines Fachklinikums gestellt (1), in dem sich die Tochter wegen einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und Suizidalität befand, und das den Antrag seinerseits umfangreich unterstützt hat (3 ff).

Nach Bestellung eines Verfahrensbeistands und vorangegangenen Beschlüssen über die Genehmigung und Verlängerung der Unterbringung hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (50), den Antrag der Antragstellerin auf weitere Verlängerung der einstweiligen Anordnung mangels Vorlage des ärztlichen Zeugnisses eines Sachverständigen zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens nach § 81 FamFG auferlegt.

Nach Zustellung des Beschlusses am 02.03.2020 und Erhalt einer Kostenrechnung über Gerichtskosten und Auslagen für den Verfahrensbeistand (vgl. I) hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.04.2020, Eingang beim Amtsgericht am 07.04.2020 (67), der Sache nach den Kostenansatz, die Kostengrundentscheidung und die Verfahrensweise des Amtsgerichts beanstandet, mit dem Ziel, keine Kosten zu tragen.

Nachdem die Antragstellerin nach einem Hinweis des Amtsgerichts vom 08.04.2020, wonach seine Kostenentscheidung nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 99 ZPO nicht isoliert anfechtbar sei, an ihrem Abänderungsbegehren festgehalten hat, hat das Amtsgericht die Sache mit Nichtabhilfebeschluss vom 24.04.2020 unter Hinweis auf seinen Hinweis vom 08.04.2020 dem Senat vorgelegt.

2. Der aufgrund falscher prozessualer Verfahrenshandhabung des Amtsgerichts mit der Sache befasste Senat hat als Rechtsmittelgericht das Verfahren nach allgemeinen Grundsätzen in die richtige Bahn zu lenken (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 511-541, Rn. 33). Auf dieser Grundlage ist die Sache unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung nach § 54 Abs. 2 FamFG zurückzuverweisen.

Der Nichtabhilfebeschluss erfolgte ohne verfahrensrechtliche Grundlage, schon weil das Amtsgericht selbst innerhalb eines denkbaren Beschwerdeverfahrens gegen seinen Endbeschluss zu einer Abhilfeprüfung nicht befugt wäre (§ 68 Abs. 1 S 2 FamFG).

Zudem und vor allem handelt es sich bei z...

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