Leitsatz (amtlich)
Gegen einstweilige Anordnungen in Umgangssachen findet die Beschwerde nicht statt, auch nicht bei Bestellung eines Ergänzungspflegers. Eine Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung über die Herausgabe eines Kindes an das zuständige Jugendamt ist ebenfalls unzulässig.
Verfahrensgang
AG Rathenow (Aktenzeichen 5 F 82/19) |
Tenor
1. Der Antrag der Kindesmutter vom 25.02.2020 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
2. Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen gewährt.
Gründe
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kindesmutter schon deswegen derzeit Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann, weil sie für die Beschwerdeinstanz bislang keine Erklärung zur Verfahrenskostenhilfe eingereicht hat und auch in sonstiger Weise keine Erklärungen zu ihrer Hilfebedürftigkeit abgegeben hat.
2. Letztendlich mag die Hilfebedürftigkeit derzeit dahinstehen, da ihrer Beschwerde nach derzeitigem Stand erkennbar kein Erfolg zukommt.
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind gem. § 57 S. 1 FamFG grundsätzlich nicht anfechtbar. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 57 S. 2 FamFG eine Anfechtbarkeit (nur) solcher einstweiliger Anordnungen vor, die nach Erörterung mit den Beteiligten in einem der dort genannten Regelungsbereiche - d.h. vor allem zum Sorgerecht oder im Gewaltschutzverfahren - erlassen wurden. Die Regelung des § 57 S. 2 FamFG ist aufgrund ihres Ausnahmecharakters abschließender Natur (OLG Frankfurt NJW-Spezial 2019, 677 Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684 Rn. 481). Gegen einstweilige Anordnungen in Umgangssachen findet daher ausnahmslos die Beschwerde nicht statt (§ 57 S. 1 FamFG sowie OLG München FamRZ 2011, 496; Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684 Rn. 481). Die Ausnahmen in § 57 S. 2 FamFG umfassen keine Umgangsregelungen, auch nicht wenn es sich um Umgangspflegschaften, einen begleiteten Umgang oder gar ein Kontaktverbot bzw. einen Umgangsausschluss handelt (vgl. im Einzelnen: OLG Frankfurt FamRZ 2019, 1865; OLG Hamm FamRZ 2017, 47; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO/FamFG, 41. Aufl. 2020 § 57 Rn. 5).
Anderes gilt nur für die Umgangsregelung flankierende Sorgerechtsregelungen (z.B. Entzug des Aufenthalts- oder Umgangsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB - zu letzterem siehe BGH FamRZ 2016, 1752) gemäß § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG. Vorliegend betrifft die angefochtene einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Rathenow aber ausdrücklich den Umgang der Kindeseltern mit dem betroffenen Kind. Sorgerechtliche Regelungen enthält diese Entscheidung nicht. Im Gegenteil wird einleitend der Gründe darauf hingewiesen, dass die Kindesmutter weiterhin allein sorgeberechtigt ist.
Würde dagegen zugleich eine Umgangsbestimmungspflegschaft i.S.d. § 1909 BGB angeordnet, unterfällt diese § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG, weil sie auf § 1666 BGB beruht (vgl. bereits zuvor sowie erneut Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684 Rn. 481). Eine solche ist im hiesigen Verfahren aber nicht angeordnet worden; vielmehr ist in einem getrennten Verfahren für die betroffene Tochter eine Ergänzungspflegerin bestellt worden, der u.a. das Recht zur Umgangsregelung betrifft (vgl. dazu Amtsgericht Brandenburg an der Havel - Az. 48 F 146/19, Bl. 176 d.A.).
Damit regelt der vorliegende angefochtene Teilbeschluss nicht eine sorgerechtliche Angelegenheit bzw. - wie es die Beschwerde vermitteln will - etwa eine Inobhutnahme des betroffenen Kindes. Regelungsgegenstand ist allein der (tatsächliche) Umgang der Kindeseltern und damit auch der Beschwerdeführerin mit dem betroffenen Kind im Verhältnis zu dem Jugendamt, welches derzeit die betroffene Tochter in Obhut hat. Ob es sich dabei tatsächlich um ein Umgangsrecht nach § 1684 BGB - der primär auf das Verhältnis der Kindeseltern zueinander zugeschnitten ist - handelt, braucht hier nicht einmal abschließend entschieden zu werden. Jedenfalls nicht betroffen ist ein solcher Verfahrensgegenstand, den die abschließende Regelung des § 57 S. 2 FamFG als beschwerdefähig ansieht.
Nur vorsorglich sei noch auf Folgendes hingewiesen:
Selbst wenn mit dem angefochtenen Beschluss - was angesichts dessen Inhalt erkennbar zu verneinen ist - zugleich die fortbestehende Inobhutnahme des betroffenen Kindes geregelt würde bzw. wenn es insoweit auch um eine vermeintliche (Nicht)Herausgabe des betroffenen Kindes an die Mutter bzw. die Kindeseltern ginge, würde dies nicht eine Beschwerdemöglichkeit nach § 57 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FamFG eröffnen. Denn insoweit es um die Herausgabe eines Kindes seitens Dritter geht, ist § 57 S. 1 FamFG einschlägig § 57 S. 2 Nr. 2 FamFG betrifft insbesondere allein die Herausgabe der Kinder an den anderen Elternteil. Eine Beschwerde gegen eine (nochmals: hier nicht vorliegende) einstweilige Anordnung über die Herausgabe eines Kindes an das zuständige Jugendamt ist also unzulässig (h.M.: OLG Oldenburg FamRZ 2014, 1929; OLG Saarbrücken FamRZ 2013, 1153).
Fundstellen
Haufe-Index 13899780 |
NJ 2020, 403 |
FF 2020, 33... |