Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt - Vollstreckungsabwehr: Verwirkung bei tituliertem Kindesunterhaltsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen. Hinzutreten muss ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat.
2. Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018) Vorbemerkung BGB § 1601, Rn. 104).
Verfahrensgang
AG Strausberg (Aktenzeichen 28 F 26/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 10.03.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Vollstreckungsabwehrverfahren gegen einen gerichtlichen Titel auf dynamisierten Kindesunterhalt aus 2012.
Er hat in der Vergangenheit auf den Titel gleichbleibend Unterhalt gezahlt und ist der Ansicht, die Vollstreckung, die der Antragsgegner nunmehr wegen darüber hinaus aufgelaufener Unterhaltsrückständen zwischen April 2015 und September 2019 betreibt, sei wegen Verwirkung der Rückstände unzulässig,
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe mangels Verwirkung abgelehnt.
Mit seiner Beschwerde leitet der Antragsteller die Verwirkung aus einer unterlassenen Geltendmachung der Ansprüche für mehr als zwölf Monate her.
Das Amtsgericht hat das Umstandsmoment unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 31. Januar 2018 - XII ZB 133/17 - verneint und die Sache vorgelegt.
2. Die nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 ZPO). Das Vollstreckungsabwehrbegehren (§ 767 ZPO) ist unbegründet. Der hierzu geltend gemachte Verwirkungseinwand (§ 242 BGB) greift nicht durch.
Es fehlt das für eine Verwirkung zusätzlich zum Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dem der Senat folgt, müssen zum reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.
Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden. Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde diesen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 07. Februar 2018 - XII ZB 338/17 -, Rn. 21, juris; Senat NZFam 2019, 838 jew. m.w.N.).
Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018) Vorbemerkung BGB § 1601, Rn. 104). Vertrauensbegründende Umstände, wie etwa ein konkretes Verhalten des Gläubigers, das Grund zu der Annahme geben könnte, er werde seinen extra titulierten Unterhaltsanspruch endgültig fallen lassen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe, hat der Antragsteller nicht dargetan.
Die vom Beschwerdeführer herangezogene früherer Rechtsprechung hat eine Untätigkeit des Gläubigers gleichermaßen für das Vorliegen des Zeit- wie für die Erfüllung des Umstandsmomentes ausreichen lassen und ist überholt.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 13882472 |
FuR 2020, 526 |
FF 2020, 326 |
NZFam 2020, 920 |