Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO, wenn die Vaterschaftsanfechtung anstelle des Verfahrens nach § 1599 Abs. 2 BGB gewählt wird.
Normenkette
ZPO § 114; BGB § 1599
Verfahrensgang
AG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 25.09.2006; Aktenzeichen 52 F 314/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 29.9.2006 wird der Beschluss des AG Frankfurt/O. vom 25.9.2006 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers vom 29.9.2006 ist als sofortige Beschwerde gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann aus den vom AG angeführten Gründen Prozesskostenhilfe (PKH) nicht versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, da noch Feststellungen zur Frage der Bedürftigkeit zu treffen sind. Der Kläger hat zum einen widersprüchliche Angaben gemacht und in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, er beziehe keine Einkünfte, zahle aber Kindesunterhalt. Zudem hat er keine Belege für seine Angaben, etwa zum Bestand seines Bankkontos, beigefügt. Das AG, das sich bisher mit der Bedürftigkeit des Klägers nicht auseinandergesetzt hat, wird dies nachholen und alsdann unter Beachtung der nachfolgend dargestellten Rechtsauffassung prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH gem. § 114 ZPO gegeben sind und erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.
Dem Kläger kann PKH nicht schon deshalb versagt werden, weil die beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage mutwillig wäre. Eine Rechtsverfolgung ist nämlich nur dann mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde nämlich, wenn das Klageziel einfacher erreicht werden kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der kostspieligere Weg von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschritten wird. Dem Hilfsbedürftigen darf aber nicht verwehrt werden, den sichersten Weg oder weitestgehenden Rechtsschutz zu wählen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 30 ff.). Danach ist die beabsichtigte Vaterschaftsanfechtungsklage nicht mutwillig.
Allerdings besteht, wenn das Kind während des Scheidungsverfahrens geboren wird, gem. § 1599 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter durch einen privatautonomen Akt anzufechten, indem der andere Mann die Vaterschaft innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung anerkennt und die Mutter und ihr - geschiedener - Ehemann dem zustimmen. Auf diesen im Verhältnis zur Anfechtungsklage einfacheren Weg muss sich der Ehemann der Mutter jedoch nicht verweisen lassen (vgl. dazu OLG Köln, FamRZ 2005, 743 f.; OLG Karlsruhe v. 10.12.1999 - 2 WF 83/99, OLGReport Karlsruhe 2000, 367 = FamRZ 2001, 232 f.; OLG Naumburg v. 30.1.2002 - 14 WF 13/02, OLGReport Naumburg 2002, 493). Denn der Statusprozess stellt den weitestgehenden Rechtsschutz dar. Die auf der Anerkennung durch den Dritten beruhende Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB kann nämlich ihrerseits wieder angefochten werden. Dabei kann dahinstehen, ob dadurch der frühere Status wiederhergestellt wird und die Vaterschaft des Ehemanns auflebt (so Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl., § 1599, Rz. 16) oder es bei der Aufhebung der früheren Zuordnung bleibt mit dem Ergebnis, dass das Kind, sofern nicht eine weitere, gem. § 1594 Abs. 2 BGB schwebend unwirksame Anerkennung ausgesprochen ist, vaterlos wird (so MünchKomm/Wellenhofer-Klein, BGB, 4. Aufl., § 1599, Rz. 53; Staudinger/Rauscher (2000), § 1599, Rz. 108). Allein die Tatsache, dass insoweit unterschiedliche Ansichten vertreten werden und mit zumindest vertretbarer Begründung das Aufleben der Vaterschaft des - geschiedenen - Ehemanns für möglich gehalten wird, zeigt, dass der Statusprozess den weitestgehenden Rechtsschutz darstellt.
Daher kann der Kläger zwischen dem Weg nach § 1599 Abs. 2 BGB und dem Statusprozess wählen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1599, Rz. 9 a.E.; a.A. Weinreich/Klein/Pieper, Familienrecht, 2. Aufl., § 1599, Rz. 18; § 1600e, Rz. 8), ihm kann PKH zur Durchführung der Anfechtungsklage nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1785559 |
FamRZ 2008, 68 |
NJOZ 2007, 5615 |
OLGR-Ost 2007, 872 |