Entscheidungsstichwort (Thema)
Volljährigenunterhalt - Taschengeldanspruch eines mithaftenden Elternteils; Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners für eine Abänderungsklage ohne aktuelle Unterhaltsforderungen des Unterhaltsgläubigers
Leitsatz (amtlich)
1. Der Taschengeldanspruch eines wiederverheiratetn Ehegatten (§ 1360 BGB) stellt tatsächliches unterhaltsrelevantes Einkommen dar, und dessen volljährigem Kind aus vorheriger Ehe kann es obliegen, diesen zur Darlegung der Haftungsanteile seiner Eltern (§ 1606 Abs. 3 S 1 BGB) vorzutragen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners für eine Abänderungsklage entfällt grundsätzlich erst, wenn der Unterhaltsgläubiger den Vollstreckungstitel zurückgibt, da dieser bis dahin einer Vollstreckung zugänglich ist.
3. Ist eine Rückgabe nicht möglich, weil der Titel für die Vollstreckung noch fälliger Leistungen benötigt wird, kann das Rechtsschutzinteresse des Schuldners ausnahmsweise dann zu verneinen sein, wenn eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht (vgl. BGH, Urteil vom 08. Februar 1984 - IVb ZR 52/82 -, Rn. 21, juris). Dies ist der Fall, wenn der Unterhaltsgläubiger einen entsprechenden Hinweis mit seinem weitergehenden Vollstreckungsverzicht verbindet (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 10 Verfahrensrecht Rn. 181 m.w.N.), also bei einer Erklärung des Gläubigers, für die Zukunft auf die Rechte aus dem Titel und auf dessen Vollstreckung zu verzichten (vgl. Keidel, FamFG, FamFG § 238 Rn. 19 m.w.N.).
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 90/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 18.06.2016 - 20 F 90/16 - abgeändert:
Die Anträge der Antragstellerin werden abgewiesen.
2. Auf den Widerantrag des Antragsgegners wird der Teilanerkenntnisbeschluss des Amtsgericht Erdingen vom 21.09.2011 - 1 F 492/11 - dahin abgeändert, dass der Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 01.08.2017 keinen Unterhalt mehr schuldet.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
4. Wert der Beschwerde: bis 9.000 EUR
5. Der Verfahrenswert für die I. Instanz wird in Abänderung der Wertfestsetzung des Amtsgerichts vom 19.08.2016 auf bis zu 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am ...1997 geborene Antragstellerin verlangt in Abänderung eines Teilanerkenntnisbeschlusses noch rückständigen Volljährigenunterhalt für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.07.2017 vom beschwerdeführenden Antragsgegner, ihrem Vater, der widerklagend zuletzt die Streichung seiner Unterhaltspflicht verfolgt.
Der Antragsgegner erkannte durch Teilanerkenntnisbeschluss vom 21.09.2011 eine Kindesunterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin i.H.v. 115 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle an (vgl 13).
Die Antragstellerin lebte einkommens- und vermögenslos in der noch verfahrensgegenständlichen Zeit bei ihrer Mutter. Diese war wiederverheiratet mit einem Berufssoldaten, der in Sizilien stationiert war, wo die Antragstellerin die Schule besuchte.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners hätten sich seit Titulierung im Jahre 2011 wesentlich verbessert und ihre Mutter sei mangels Leistungsfähigkeit für die Bemessung des Volljährigenunterhalts nicht heranzuziehen.
Sie hat beantragt,
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, in Abänderung des Teilanerkenntnisbeschlusses vom 21.09.2011 des Amtsgerichts Erding (1 F 492/11) an sie ab dem 01.05.2016 Unterhalt i.H.v. 152 % des Mindestunterhalts abzüglich staatlichen Kindergelds (derzeit 785 EUR - 190 EUR = 595 EUR) zuzüglich Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 43,83 EUR zu bezahlen;
2. der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum Januar bis April 2016 als rückständigen Unterhalt einen Betrag i.H.v. 312 EUR zu bezahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge der Antragstellerin abzuweisen
sowie widerantragend,
die Antragstellerin wird verpflichtet, dem Antragsgegner Auskunft über Ihre derzeitige Schulausbildung sowie Auskunft über die Einkünfte Ihrer Mutter ... im Zeitraum Oktober 2013 bis September 2014 sowie über die Einkünfte des Ehemanns ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 und darüber, ob dieser von seiner Arbeitgeberin weitere Leistungen, wie verbilligten Wohnraum, erhält, zu erteilen.
Die Antragstellerin wird verpflichtet, diese Auskunft zu belegen durch
- Vorlage einer aktuellen Schulbescheinigung sowie
- Vorlage der Verdienstabrechnungen ihrer Mutter ... von Oktober 2013 bis September 2014
- Vorlage einer Aufstellung über die monatlichen Einkünfte des Ehemannes ihrer Mutter im Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 mit Angaben weiterer Arbeitgeberleistungen wie verbilligten Wohnraum, Verpflegungszuschüsse, Auslandszulagen, Familienzuschläge etc.
die Antragstellerin hat beantragt,
die Wideranträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat die Mutter der Antragstellerin für leistungs...