Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliches Sorgerecht: Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil; Kindswohlprüfung; Bedeutung des vom Kind im Verfahren geäußerten Willens
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Entscheidung über die Abänderung einer vormals getroffenen Sorgerechtsvereinbarung und der dabei beantragten Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil stellen im Rahmen der Kindeswohlprüfung der Grundsatz der Kontinuität und der erklärte Wille des Kindes wesentliche Kriterien für die Entscheidung dar.
2. Dem vom Kind geäußerten Willen kommt bei einer Entscheidung zur Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil eine um so höhere Bedeutung zu, je älter das Kind ist und je deutlicher es einen eigenen selbst bestimmten Willen über den gewünschten künftigen Aufenthalt äußern kann.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1696
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Urteil vom 22.03.2001; Aktenzeichen 34 F 9/00) |
Tenor
1. Der Beschluss des AG Oranienburg vom 2.3.2009 wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das am 22.3.2001 verkündete Urteil des AG Oranienburg (Aktz. 34 F 9/00) wird hinsichtlich der Ziff. II. des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die elterliche Sorge für das Kind N. T., geboren am ... Mai 1997, wird dem Antragsteller allein übertragen.
Mit dieser Maßgabe wird die gegen den Beschluss des AG Oranienburg vom 2.3.2009 eingelegte befristete Beschwerde der Antragsgegnerin vom 5.4.2009 zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert beträgt für die Hauptsache 3.000 EUR und für die Anträge auf einstweilige Anordnung weitere 500 EUR.
Gründe
I. Die Kindeseltern streiten um das Sorgerecht für ihren gemeinsamen Sohn N. T., geboren am ... Mai 1997.
Die Kindeseltern haben 1997 die Ehe geschlossen. Im November 1998 trennten sie sich. Mit Urteil des AG Oranienburg (34 F 9/00, Bl. 25) vom 22.3.2001 wurde ihre Ehe geschieden. Zugleich wurde die elterliche Sorge für den betroffenen Sohn der Antragsgegnerin allein übertragen. Seit Trennung der Kindeseltern lebte N. im Haushalt der Antragsgegnerin und wurde von dieser betreut und versorgt. Der Antragsteller erhielt aufgrund einer Vereinbarung der Eltern regelmäßigen Umgang, wobei es gleichwohl zu Störungen kam.
Die Antragsgegnerin ist von Beruf Architektin. Sie ist erneut verheiratet.
Der Antragssteller lebt in einer neuen Beziehung, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin betreibt er eine Softwarefirma.
Das Jugendamt ... führte auf Bitten des Antragsstellers seit September 2007 mit dem betroffenen Kind eine Therapie durch. Im Zusammenhang damit wurden Verhaltensauffälligkeiten bei N. festgestellt und eine psychotherapeutische Hilfe dringend angeraten.
Am 2.9.2008 fuhren N. und seine Mutter im Pkw. Es kam zu einem Streit zwischen den Beiden. Die Antragsgegnerin hielt den Wagen an und forderte N. auf, auszusteigen. Dies war etwa 400 m von der Wohnung der Mutter entfernt. Die Mutter fuhr sodann mit dem Pkw fort. N. rief den Antragssteller an, der daraufhin mit seinem Pkw zum Ort des Geschehens fuhr, N. auffand und mit sich nahm. Der Antragssteller nahm sogleich Kontakt mit dem Jugendamt auf, das sodann Gespräche mit den Eltern führte. Weitere Einzelheiten zu diesem Vorfall sind streitig. Jedenfalls kam es nachfolgend zum Wechsel des betroffenen Kindes - insbesondere auf dessen geäußerten Wunsch hin - in den Haushalt des Antragsstellers; die Antragsgegnerin stimmte dem zu. Seither ist N. in B. beim Vater angemeldet und besucht eine Grundschule dort. Die Therapiemaßnahmen wurden auch nach dem Wechsel in den väterlichen Haushalt fortgesetzt.
Der erste Umgang mit der Mutter fand am Wochenende 26.9.2008 statt. Geplant war der Aufenthalt des Sohnes im Haushalt der Mutter über das Wochenende. Dieser wurde bereits nach wenigen Stunden durch den Sohn abgebrochen, der sodann zum Vater zurückkehrte. Nachfolgend kam es nur zu wenigen Umgangskontakten. U. a. fanden begleitete Umgangskontakte, vermittelt über das Jugendamt statt. Vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg ist zum Aktenzeichen 173 F 6303/09 ein Umgangsrechtsverfahren anhängig.
Der Antragssteller hat behauptet, die Antragsgegnerin sei alkoholabhängig, schlage den Sohn und bestrafe ihn unnötig hart und kindesunangemessen. Wegen der behaupteten Schläge ggü. dem Sohn hat der Antragssteller einen Strafantrag wegen Körperverletzung gegen die Antragsgegnerin gestellt; das Strafverfahren ist mittlerweile eingestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2009 vor dem AG hat die Antragsgegnerin ihr Einverständnis damit erklärt, dass der Sohn derzeit bei seinem Vater lebe. Eine Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf den Antragssteller hat sie jedoch abgelehnt und nur einer solchen auf das Jugendamt zugestimmt.
Der Antragssteller hat beantragt, in Abänderung der früheren sorgerechtlichen Entscheidung ihm das alleinige Recht der elterlichen Sorge zu übertragen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Die Antrags...