Verfahrensgang
AG Königs Wusterhausen (Aktenzeichen 5 FH 5074/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 28.07.2020 (5 FH 5074/20) abgeändert:
Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.952,72 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Der Antragsgegner ist der Vater der am ...2006 geborenen J... S..., für die in der Zeit vom 01.09.2018 bis zum 30.06.2019 Leistungen nach dem SGB II gewährt wurden. Mit Schreiben vom 04.05.2020 beantragte der Antragsteller aus übergegangenem Recht (§ 33 SGB II), gegen den Antragsgegner im vereinfachten Verfahren für den vorbezeichneten Zeitraum rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 1.952,72 EUR festzusetzen.
Mit Beschluss vom 28.07.2020 hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen - nach Anhörung des Antragsgegners - den Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren antragsgemäß festgesetzt.
Gegen den am 30.07.2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit einem am 31.08.2020 (Montag) beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass das Kind J... S... im Wechselmodell von beiden Elternteilen (50/50) betreut werde. Zudem seien die in Rede stehenden Leistungen nach dem SGB II nicht in der geltend gemachten Höhe bzw. teilweise auch zu Unrecht gewährt worden.
2. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 28.07.2020 ist begründet. Der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist bereits unzulässig.
Nach § 256 Satz 1 FamFG können mit der Beschwerde nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens (§ 252 Abs. 1 Satz 1 FamFG), die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden.
Gemäß § 249 Abs. 1 FamFG ist das vereinfachte Verfahren nur statthaft, wenn der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, festgesetzt werden soll. Hierbei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens im Sinne von § 252 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist auf den Fall und denjenigen Zeitraum beschränkt, dass das Kind nicht im Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils lebt und dieser allein barunterhaltspflichtig ist (vgl. dazu OLG Celle, FamRZ 2003, 1475; OLG Stuttgart, FamRZ 2014, 1473 für den Fall der Barunterhaltspflicht beider Elternteile, weil das Kind von einem Dritten betreut wird; BGH, FamRZ 2017, 816 für den Fall eines Obhutswechsels während des laufenden Verfahrens).
Das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist mithin unzulässig, wenn das Kind auch bei dem in Anspruch genommenen Elternteil lebt. Ein Kind lebt aber noch nicht im Haushalt des anderen Elternteils, wenn es sich im Einverständnis mit der Mutter zum Zwecke des Umgangs regelmäßig beim Vater aufhält, denn ein bloßer Umgangsaufenthalt verlagert den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht. Nur wenn die Eltern ein echtes Wechselmodell praktizieren, d.h. das Kind in etwa gleich langen Zeiträumen abwechselnd in den jeweiligen Haushalten eines Elternteils lebt, sind die Voraussetzungen des § 249 Abs. 1 FamFG nicht erfüllt (OLG Dresden, FamRZ 2020, 112; OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 838; erkennender Senat, Beschluss vom 28.08.2017 - 9 WF 160/17 - NZFam 2017, 1062; OLG Celle, a.a.O.; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl., § 249 Rz. 13). Letzteres ist hier der Fall.
Nach dem unstreitigen Vorbringen des Antragsgegners wird die minderjährige J... S... zu gleichen Teilen von beiden Elternteilen betreut, versorgt und erzogen. Die Eltern praktizieren mindestens seit September 2018 in Bezug auf das gemeinsame Kind ein paritätisches Wechselmodell. Die Tochter lebt sowohl im Haushalt des einen als auch in dem des anderen Elternteils. Bei gleichrangiger Betreuung des Kindes durch die Eltern - wie hier - fehlt es an den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gemäß den §§ 249 ff. FamFG; der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung ist vorliegend unzulässig und unterliegt deshalb der Zurückweisung. Bei diesen Gegebenheiten kommt es auf die weiteren Einwendungen des Antragsgegners betreffend die Höhe bzw. Rechtmäßigkeit der vom Antragsteller gewährten Leistungen nach dem SGB II nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40, 51 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 14351374 |
NZFam 2021, 227 |