Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe - Kein Mutwillen bei isolierter Kindschaftssache neben dem Verbund
Leitsatz (amtlich)
1. Bei isolierter Geltendmachung einer Kindschaftssache außerhalb eines Verbundverfahrens kann Mutwillen (§ 114 Abs. 2 ZPO) fernliegen (vgl. Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 76 FamFG, Rn. 51), denn § 137 Abs. 3 FamFG stellt die Einbeziehung einer Kindschaftssache in das freie Ermessen eines Elternteils und auch ein vermögender Elternteil wird, wenn es ihm auf die Umgangsregelung als solche ankommt, diese gerade nicht abhängig machen vom Ausspruch der Scheidung (§ 137 Abs. 1 FamFG).
2. Vielmehr hat auch und insbesondere ein scheidungswilliger Elternteil regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, Scheidungs- und Kindschaftsentscheidungen schnellstmöglich zu erwirken und damit in größtmöglichem Umfang freizuhalten von den regelmäßig verfahrensverzögernden Wechselwirkungen und Unwägbarkeiten unterschiedlicher Verfahrensverläufe in unterschiedlichen Verfahrensordnungen mit vielfach unterschiedlichen Zeitpunkten der Entscheidungsreife.
3. Zudem drängt die Geltung unterschiedlicher Verfahrensgrundsätze ohnehin vielfach zur Abtrennung der beschleunigt zu bearbeitenden Umgangssache als Folgesache nach §§ 137 Abs. 3 Halbsatz 2; 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG (vgl. hierzu etwa Senat, Beschluss vom 11. Februar 2019 - 13 WF 21/19 -, juris Rn. 8 m.w.N.), was abermals gewichtig gegen die Annahme von Mutwillen bei isolierter Geltendmachung sprechen kann (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2014, 1879; Gottschalk, in: Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl. Rn. 571 m.w.N.).
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 197/18) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 09.04.2019, Erlassvermerk: 10.04.2019, wird aufgehoben.
Gründe
1. Die Antragstellerin erbittet Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren betreffend drei bei ihr lebenden Töchter.
Der Senat hat einen Abweisungsbeschluss des Amtsgerichts - datiert auf den 14.12.2018, Erlassvermerk: 17.12.20189 (21) - auf die Beschwerde der Antragstellerin, nachdem das Amtsgericht das Rechtsmittel mit Nichtabhilfebeschluss vorgelegt hatte, mit Beschluss vom 26.03.2019 - 13 WF 31/19 aufgehoben und die Sache zur Prüfung der Hilfsbedürftigkeit an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Dieses hat mit Beschluss vom 09.04.2019, Erlassvermerk: 10.04.2019, "der Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss vom 14.12.2018 nicht abgeholfen", "die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt" und zur Begründung unter Hinweis auf § 68 Abs. 1 FamFG ausgeführt, die Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil das Umgangsverfahren außerhalb des Verbundverfahrens anhängig gemacht worden sei, innerhalb dessen das Amtsgericht die Scheidung im Termin am 20.02.2019 ausgesprochen hat.
2. Der Rechtsschein eines Nichtabhilfebeschlusses (§§ 127 Abs. 2 S 2, 572 Abs. 1 S 1 ZPO) in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren ist zu beseitigen.
Eine Beschwerde des Betroffenen gegen einen Beschluss vom 14.12.2018 existiert nicht und hat nie existiert.
Das Beschwerdeverfahren der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 14.12.2018 ist seit dem 26.03.2019 beendet. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 14.12.2018 ist durch Senatsbeschluss vom 26.03.2019 aufgehoben und damit als Bezugspunkt eines weiteren Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin ebenso gegenstandslos wie der darauf gerichtete Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 09.04.2019.
Anhängig ist - neben dem Umgangsverfahren der Antragstellerin - deren Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren. Innerhalb des Bewilligungsverfahrens hat das Amtsgericht nach Aufhebung seines Beschlusses vom 14.12.2018 eine erneute erstinstanzliche Ausgangsentscheidung zu treffen (§ 127 ZPO) und erst im Falle einer hiergegen gerichteten Anfechtung ein Abhilfeverfahren (vgl. § 127 Abs. 2, Abs. 3 ZPO) durchzuführen.
3. Für das weitere Bewilligungsverfahren weist der Senat vorsorglich auf die entsprechende Geltung des § 563 Abs. 2 ZPO hin, wonach das Amtsgericht im Falle einer Zurückverweisung der Sache, wie hier durch Beschluss des Senats vom 26.03.2019, einer erneuten Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts zugrunde zu legen hat (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 572 ZPO, Rn. 29, 30 m.w.N.).
Danach hat das Amtsgericht die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch zu beurteilen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. März 2019 - 13 WF 31/19 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Nach Ausspruch der Scheidung durch das Amtsgericht am 20.02.2019 war die Möglichkeit, die Umgangssache als Folgesache beim Amtsgericht kostenschonend geltend zu machen, längst entfallen, § 137 Abs. 3 FamFG.
Überdies stellt die letztgenannte Bestimmung die Einbeziehung einer Kindschaftssache in das freie Ermessen eines Elternteils, und Mutwillen (§ 114 Abs. 2 ZPO) liegt auch bei getrennter Geltendmachung fern (vgl. Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 4....