Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaß. Erbenstellung
Leitsatz (redaktionell)
Zum Vorliegen der Voraussetzungen einer gesetzlichen Erbenstellung nach § 9 EGFGB/DDR.
Normenkette
EGFGB § 9 Abs. 1-3; EGBGB Art. 235 § 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 27.01.1998; Aktenzeichen 5 T 491/96) |
AG Brandenburg (Aktenzeichen 46 VI 271/96) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 17. März 1998 wird der Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 27. Januar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.
Der Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 150.000 DM festgesetzt.
Gründe
Der am 11.3.1975 verstorbene Erblasser war ledig und hinterließ als einzige Abkömmlinge die Beteiligten. Die Beteiligte zu 1) lebte im Haushalt des Erblassers in B., auch nachdem sie volljährig geworden war. Der Beteiligte zu 2) lebte von Geburt an bei der gemeinsamen Mutter in Ba. Am Todestag schickte die Beteiligte zu 1) ihrem Bruder ein Telegramm mit der Nachricht, daß „unser lieber Pa eingeschlafen” sei.
Mit dem an die Mutter und den Beteiligten zu 2) gerichteten Schreiben vom 30.6.1975 teilte der Ehemann der Beteiligten zu 1) mit, daß seine Frau und er mit dem Haus des Erblassers in B. nichts anfangen könnten, wenn K. der Beteiligte zu 2), die Erbschaft nicht ausschlage. Die Ausschlagungsfrist laufe ein halbes Jahr nach dem Tod des Vaters ab. Es müsse noch einige Zeit für den Postweg und die Bearbeitung eingerechnet werden, „so daß der Schein uns doch spätestens Anfang August erreichen sollte”.
Durch notariell beglaubigte Erklärung vom 2.10.1975 schlug der Beteiligte zu 2) die Erbschaft nach seinem Vater aus jedem Berufungsgrund aus. Die Erklärung ging am 14.1.1976 beim Staatlichen Notariat B. ein. In dem Begleitschreiben vom 12.1.1976 teilte der Rechtsanwalt der Beteiligten zu 1) mit, daß der Ausschlagende zunächst keine Nachricht darüber gehabt habe, ob ein Testament vorhanden und er Erbe geworden sei. Erst durch sein, des Rechtsanwalts, Schreiben vom 11.7.1975, das frühestens am 16.7.1975 zugegangen sein könne, habe er „Kenntnis von dem Erbfall erhalten”. Am
23.12.1976 erteilte das Staatliche Notariat B. der Beteiligten zu 1) antragsgemäß einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies.
Am 4.10.1996 hat der Beteiligte zu 2) die Einziehung dieses Erbscheins beantragt, weil er Miterbe geworden sei. Die Erbausschlagung sei nicht fristgemäß erfolgt. Dem hat sich das Amtsgericht angeschlossen und durch Beschluß vom 12.6.1997 den Erbschein eingezogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht durch Beschluß vom 27.1.1998 zurückgewiesen.
Die gemäß §§ 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) führt zu der aus der Beschlußformel ersichtlichen Entscheidung. Der angefochtene Beschluß beruht auf einem Rechtsverstoß. Das Landgericht ist ohne weiteres davon ausgegangen, daß auch der Beteiligte zu 2) gesetzlicher Erbe seines Vaters ist. Diese Annahme ist aber unzutreffend. Denn der Beteiligte zu 2) war zur Zeit des Todes des Erblassers volljährig, so daß ihm, weil er außerhalb der Ehe geboren ist, nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gemäß § 9 EGFGB/DDR ein Erbrecht zusteht. Die Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann erst nach Durchführung weiterer Ermittlungen (§ 12 FGG) beantwortet werden. Da das Gericht der Rechtsbeschwerde diese Ermittlungen nicht nachholen kann, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 27, Rz. 66).
Das Gericht der weiteren Beschwerde ist auch nicht, wie der Beteiligte zu 2) meint, gehindert, die Frage des gesetzlichen Erbrechts des Beteiligten zu 2) zu prüfen. Denn das Gericht der weiteren Beschwerde prüft die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz nach allen Richtungen und es beschränkt sich nicht auf die Nachprüfung der Entscheidungsgründe des Beschwerdegerichts, auch nicht auf die Beschwerderügen der weiteren Beschwerde (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27, Rz. 1.5). Somit ist auch eine Gesetzesverletzung, §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG iVm 550 ZPO, von Amts wegen zu beachten (s.a. Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27, Rz. 17). Sie ist vorliegend auch gegeben, weil das Landgericht, wie bereits dargestellt, eine Rechtsnorm, nämlich § 9 EGFGB, nicht beachtet hat.
Das Landgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Erbfolge nach dem Erblasser grundsätzlich nach dem BGB richtet. Denn der Erblasser ist vor Wirksamwerden des am 3.10.1990 erfolgten Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland mit letztem Wohnsitz in B. verstorben, so daß gemäß Art. 235 § 1 EGBGB auf die erbrechtlichen Verhältnisse nach ihm das bis 2.10,1990 in der früheren DDR geltende Recht anzuwenden ist. Da der Todeszeitpunkt vor Inkrafttreten des ZGB am 1.1.1976, nämlich a...