Verfahrensgang
AG Schwedt (Entscheidung vom 17.02.2010; Aktenzeichen 4 F 50/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17. Februar 2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwedt vom 15. Februar 2010 abgeändert.
Der Antragstellerin wird Rechtsanwalt ... in S... beigeordnet.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 Satz 2 ZPO in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist begründet. Der Antragstellerin ist der von ihr ausgewählte Rechtsanwalt beizuordnen.
In Gewaltschutzsachen nach §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben. Einem Beteiligten wird gemäß § 78 Abs. 2 FamFG auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach der amtlichen Begründung (BT-Drucksache 16/6308, S. 214) bestehen "enge Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts". Die Frage der Bedeutung der Sache für die Beteiligten bzw. der Schwere eines Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten ist regelmäßig nicht maßgeblich (BT-Drucksache, 16/6308, S. 214; s. dazu auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 2, Rz. 73; Keidel/ Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 78, Rz. 5; Götsche, FamRZ 2009, 383 ff., 387).
Somit kommt es entscheidend darauf an, ob die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Anwaltsbeiordnung erfordert. Dies wird teilweise allein nach objektiven Kriterien, dem Umfang und der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, beurteilt, teilweise werden insoweit auch subjektive Gründe, die Möglichkeit und Gewandtheit des Beteiligten, seine Rechte wahrzunehmen, herangezogen (vgl. dazu OLG Zweibrücken, NJW 2010, 541; Keidel/ Zimmermann, a.a.O., § 78, Rz. 4 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 121 Abs. 2 ZPO, BVerfG NJW-RR 2007, 1713; OLG Düsseldorf, ZFE 2010, 69 und 70; FamVerf/Gutjahr, § 2, Rz. 75 unter Hinweis auf BGH, FamRZ 2009, 857; Götsche, a.a.O., S. 387). Im Hinblick darauf, dass es das Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip gebieten, Rechtsschutzgleichheit zu gewähren, und daher Bemittelte und Unbemittelte gleichzustellen sind (vgl. BVerfG, NJW 2004, 1789; NJW-RR 2007, 1713; NJW 2008, 1831), ist jedenfalls auch zu bedenken, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (s.a. OLG Hamburg, Beschluss vom 28.1.2010, 12 WF 254/09, veröffentlicht bei [...]; OLG Celle, FF 2010, 83 f; Waller, FF 2010, 50 ff.).
Bei der Prüfung dieser Frage kann nicht pauschal auf den Amtsermittlungsgrundsatz abgestellt werden. Denn die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts geht über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus. Der Anwalt muss die Rechte seines Mandanten vertreten und kann auch solche tatsächlichen Ermittlungen anregen und fördern, die für den Richter aufgrund des Beteiligtenvorbringens nicht veranlasst sind (vgl. BVerfG, NJW-RR 2007, 1713). Daher kann ein Beteiligter auch nicht generell auf die Möglichkeit verwiesen werden, sich an die Rechtsantragsstelle zu wenden, die sein Begehren formuliert und aufnimmt. Denn dadurch wird die Begleitung durch einen Anwalt nicht ersetzt.
Unter Berücksichtigung all dessen und des hier vorliegenden konkreten Falls, in dem es um eine eilige Gewaltschutzsache geht, ist der Antragstellerin ein Anwalt beizuordnen. Ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin ihre Sprachschwierigkeiten durch die Übersetzungshilfe ihres Sohne ausgleichen kann, muss sie einen Sachverhalt darstellen, der es dem Gericht ermöglicht, Ausmaß und Umfang ihrer Gefährdung rasch und umfassend zu ermitteln. Die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen sind in einen Antrag zu fassen. Damit ist die Antragstellerin überfordert, zumal die Rechtsantragsstelle die Antragstellerin nicht im gesamten Verfahren begleiten, sondern nur ihr Vorbringen aufnehmen kann (s. dazu auch OLG Zweibrücken, NJW 2010, 541; Musielak/Borth, FamFG, § 78, Rz. 4). Der Antragstellerin ist somit der von ihr ausgewählte Anwalt beizuordnen.
Die Nebenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3030247 |
FamRZ 2010, 1689 |
FamRZ 2010, 1689-1690 |