Leitsatz (amtlich)
›Die Beiordnung eines Verkehrsanwalts für die gerichtsfern wohnende bedürftige Partei im Ehescheidungsverfahren ist nicht schlechthin geboten. Sie bedarf vielmehr der Einzelfallprüfung nach allgemeinen Vorschriften und Kriterien.‹
Verfahrensgang
AG Nauen (Aktenzeichen 21 F 48/00) |
Gründe
Grunde:
I.
Die in W lebende Antragstellerin hat das Ehescheidungsverfahren bei dem Amtsgericht Nauen (Brandenburg) eingeleitet und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Nach der Antragsschrift sind Scheidungsfolgen zwischen den seit über 5 Jahren getrennt lebenden Ehegatten - mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs - nicht zu regeln, insbesondere sollen wechselseitig weder unterhalts- noch vermögensrechtliche Ansprüche bestehen. Minderjährige oder sonst unterhaltsberechtigte Kinder haben die Parteien nicht. Der Antragsgegner werde, so die Antragsschrift, der Scheidung zustimmen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe bewilligt und der Antragstellerin Rechtsanwältin N beigeordnet. Den weiteren Antrag auf Beiordnung eines Korrespondenzanwalts hat es unter Hinweis auf den einfach gelagerten Fall zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie u. a. ergänzend geltend macht, der an ihrem Wohnort ansässige Rechtsanwalt habe für sie bereits die Trennungs- und Scheidungsfolgen geregelt. Auch seien die Kosten einer Informationsreise zu ihrem Hauptbevollmächtigten höher als die Kosten des Korrespondenzanwalts.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. IV ZPO liegen nicht vor.
1. Nach dieser Vorschrift kann der bedürftigen Partei ein Verkehrsanwalt beigeordnet werden, wenn besondere Umstände es rechtfertigen. Solche können darin liegen, dass die Partei wegen Schreibungewandtheit, Rechtsunerfahrenheit oder außergewöhnlicher Schwierigkeit des Streitstoffs den Prozessbevollmächtigten nicht sachgemäß schriftlich oder wegen Unzumutbarkeit einer Reise auch nicht persönlich informieren kann (Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rdnr. 598; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 121, Rdnr. 20). Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass die "existentielle Bedeutung" eines Verfahrens für die bedürftige Partei ein besonderer Umstand im Sinne von § 121 Abs. IV ZPO sei, der regelmäßig die Beiordnung eines Verkehrsanwalts gebiete, auch wenn die Partei geschäfts- und schreibgewandt sei. Ein Ehescheidungsverfahren sei grundsätzlich eine Angelegenheit von solcherart "existentieller Bedeutung" (Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rz. 578; OLG Bamberg, FamRZ 1990, 644; KG, NJW 1982, 113; teilweise OLG Hamm, FamRZ 1986, 374; OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 133; Bbg. OLG (2. Familiensenat), FamRZ 1998, 1301 und 1999, 1357). Der mittellosen Partei müsse daher die Möglichkeit zugestanden werden, die mit der Scheidung und den Scheidungsfolgen zusammenhängenden vielfältigen und manchmal auch schwierigen Fragen persönlich mit einem Anwalt -ggfs. auch mehrfach (so Bbg. OLG, a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O.) - zu erörtern. Dies sei bei nicht ganz unbeträchtlicher Entfernung zwischen dem Wohnort der Partei und dem Kanzleisitz des Hauptbevollmächtigten nur durch Beiordnung eines Rechtsanwalts zu erreichen, der den Verkehr mit dem Verfahrensbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts vermittle.
2. Dieser - mehrheitlich vertretenen - Auffassung vermag sich der Senat nicht uneingeschränkt anzuschließen, jedenfalls nicht für einfach gelagerte Ehescheidungsverfahren. Vielmehr bedarf es auch für das Scheidungsverfahren einer an Wortlaut wie an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Einzelfallprüfung daraufhin, ob "besondere Umstände" i.S.v. § 121 Abs. IV ZPO die Beiordnung eines Verkehrsanwalts erforderlich machen. Dieser Prüfung ist das Gericht nicht deswegen enthoben, weil Scheidungsverfahren generell von tiefgreifender Bedeutung für die Parteien wären. Das mag zwar für eine Mehrzahl der Ehescheidungsverfahren so sein, lässt sich aber, wie die soziale Wirklichkeit und das in den letzten Jahrzehnten gewandelte gesellschaftliche Bewusstsein zeigen, keineswegs mehr generell postulieren. In einer nicht geringen Zahl von Fällen ist das Ehescheidungsverfahren lediglich formeller Schlusspunkt unter eine längst inhaltlich auseinandergesetzte Ehe, insbesondere dann, wenn die Ehegatten seit längeren Jahren getrennt leben, keine minderjährigen oder unterhaltsbedürftigen Kinder haben und die materiellen Scheidungsfolgen vorab geregelt sind. Besonders gilt dies dann, wenn einer oder beide Ehepartner längst in neuen, sozial verfestigten Beziehungen leben.
Dann entfällt aber in Ehescheidungssachen als Anknüpfungspunkt für die im Rahmen von § 121 Abs. IV ZPO zu treffende Entscheidung als genereller Gesichtspunkt die "existentielle Bedeutung" der Angelegenheit. Vielmehr haben auch in Ehescheidungsverfahren die allgemeinen Grun...