Leitsatz (amtlich)
Die Erwägungen des BGH (BGHZ 152, 217), wonach beim Ehegattenunterhalt der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung verdient, sind auf Kindesunterhalt grundsätzlich übertragbar.
In Fällen, in denen der gesetzliche Mindestunterhalt bzw. der Regelunterhalt geltend gemacht wird, müssen besondere Gründe das Vorliegen des Zeit- und Umstandsmomentes rechtfertigen, weil der Pflichtige vor Zeitablauf nicht damit rechnen kann, dass das minderjährige Kind nicht auf den Unterhalt in dieser Höhe angewiesen ist.
Der Schuldnerschutz verdient es auch im Falle der Titulierung künftig fällig werdender Unterhaltsforderungen, besonders beachtet zu werden, weshalb auch in diesen Fällen das Zeitmoment bereits nach dem Verstreichenlassen einer Frist von etwas mehr als einem Jahr als erfüllt anzusehen sein kann.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 06.04.2011; Aktenzeichen 20 F 124/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers von 26.4.2011 wird diesem unter Aufhebung des Beschlusses des AG Nauen - Familiengericht - vom 6.4.2011 - 20 F 124/10 - Verfahrenskostenhilfe für das Vollstreckungsabwehrverfahren gegen die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendamtes ..., Landkreis ..., von 19.9.1996, Urkundennummer N 426/1996 bewilligt.
Dem Antragsteller wird Rechtsanwältin ... aus ... zu den Bedingungen einer im Gerichtsbezirk Nauen ansässigen Rechtsanwältin beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag, die Zwangsvollstreckung des Antraggegners aus der Urkunde des Jugendamtes ... vom 19.9.1996, UR-Nr.: N 426/1996, für die Zeit von Mai 1997 bis April 2010 für unzulässig zu erklären.
Der Antragsteller ist der Vater des am 4.3.1995 geborenen Antragsgegners. Der Antragsgegner hat auf der Grundlage der vorbezeichneten Jugendamtsurkunde gegen den Antragsteller einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 20.5.2010 erwirkt und betreibt gegen ihn die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsrückständen seit Mai 1997 i.H.v. 15.695,82 EUR zzgl. des laufenden Unterhaltes i.H.v. 191,22 EUR seit März 2010.
Der Antragsteller behauptet, seit seiner Trennung von der Kindsmutter im Mai 1997 zu keinem Zeitpunkt zur Leistung von Kindesunterhalt aufgefordert worden zu sein, obgleich die Kindsmutter stets über seinen Aufenthaltsort informiert gewesen sei. Im Falle seiner Inanspruchnahme hätte er gestützt auf Leistungsunfähigkeit die Abänderungsklage erhoben.
Der Antragsgegner macht geltend, seine gesetzliche Vertreterin (nachfolgend Kindsmutter) habe bis Herbst 2009 keine Kenntnis vom Aufenthaltsort des Antragstellers gehabt, da er nach Aufgabe der gemeinsamen Wohnung im Sommer 1997 mehrfach seinen Aufenthalt und Wohnsitz gewechselt hatte ohne jeweils eine zustellungsfähige Adresse hinterlassen zu haben. Erst im Herbst 2009 habe er sich erstmals per Postkarte bei seinen Kindern gemeldet. Im Mai 2010 habe die Kindsmutter dann durch Vermittlung des Jugendamtes einen Überblick über die Orte im Land Brandenburg und in Sachsen erhalten, in denen der Antragsteller in den letzten 13 Jahren gemeldet gewesen sei. Anschließend habe ihr das Jugendamt mitgeteilt, dass die Sozialleistungen, die der Antragsteller beziehe, weit unter der vollstreckungsrechtlichen Pfändungsfreigrenze lägen.
Mit Beschl. v. 6.4.2011 - 20 F 124/10 - hat das AG - Familiengericht - Nauen den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, es fehlten besondere Gründe für das Vorliegen von Zeit- und Umstandsmoment und der Antragsgegner habe bis Herbst 2009 keinerlei Kenntnis vom Aufenthaltsort des Antragsteller gehabt habe.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Im Wesentlichen ist er der Ansicht, dem in der Jugendamtsurkunde titulierten Anspruch stehe der von ihm erhobene Einwand der rechtsmissbräuchlichen Verwendung des Titels entgegen. Der Anspruch sei verwirkt; die Verwirkung liege hier als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens vor. Sie ergebe sich insbesondere daraus, dass der Antragsgegner durch die Kindsmutter den Anspruch seit mehr als 13 Jahren nicht mehr geltend gemacht habe. Weiter macht er geltend, irrigerweise sei durch das Familiengericht angenommen worden, dass dem Antragsgegner die Anschrift des Antragstellers nicht bekannt gewesen sei und er deshalb nicht in der Lage gewesen sei, seine Unterhaltsansprüche gegen den Antragsteller geltend zu machen. Dem Antragsgegner bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin sei vielmehr die Anschrift des Antragstellers aus verschiedenen Umständen in diesem Zeitraum immer wieder bekannt gewesen; für diese Behauptung hat er Beweis angeboten.
Das AG - Familiengericht - Nauen hat mit Beschluss vom 8.7.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zul...